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UND ARCHITEKTEN-VEREINES Heft 9      1916
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Zum Schlusse teilt der Vorsitzende mit, daß diese Angelegenheit in der am 28. Jänner 1916 stattfindenden Verwaltungsratssitzung zur Sprache kommen und er über das Ergebnis der Beratungen in der nächsten Fachgruppenversammlung berichten wird.
Der Obmann:                Der Schriftführer:
Brauer.                     Ing. E. Krick.

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Vereins - Angelegenheiten.
        BERICHT
über die 15. (Wochen-)Versammlung der Tagung 1915/16.

Samstag den 26. Februar 1916.

Der Vorsitzende Vizepräsident Direktor Ing. Leopold Mayer eröffnet um 7h 5m abends die sehr zahlreich besuchte Versammlung, indem er die Erschienenen herzlich willkommen heißt und namentlich Herrn Magistrats-Direktor Dr. August Nüchtern als Gast begrüßt (Beifall). Er verweist darauf, daß nach einer in den Tagesblättern enthaltenen Mitteilung das Mitglied des Herrenhauses Herr Hofrat Professor Dr. Ernst Mach am 19. d. M. verstorben ist. Hofrat Dr. Ernst Mach, einer der hervorragendsten Vertreter der exakten Wissenschaften, hat sich unvergänglichen Ruhm erworben; der Vorsitzende bittet Herrn Professor Dpl. Chem. Josef Klaudy, die Tätigkeit des Verstorbenen als Mensch und Gelehrter durch einen Nachruf zu würdigen.
Herr Professor Dpl. Chem. Klaudy hält sodann folgende Gedenkrede:
"Ein Klassiker der Naturwissenschaften, Ernst Mach, schloß am 19. d. M. im 78. Lebensjahr in stiller Zurückgezogenheit in Haar bei München seine Augen für immer. Ein Geist ist zur Ruhe gegangen, der unserem Vaterlande gehörte und den größten aller Zeiten an die Seite gestellt werden muß, bis er allgemein verstanden werden wird. Dem Geiste, der in unserem Kreise herrscht, erscheint es Pflicht, zu seiner Ehre beizutragen und seinen Werken die Anerkennung zu zollen, die ihm die gesamte Kulturwelt noch schuldet.
Um Mach zu verstehen, muß man auf die Kulturentwicklung zurückgreifen mit seiner klassischen Methode der historisch-kritischen Erfassung unserer Begriffe, die seine Denkökonomie in sich schließt, um seine eiserne Standhaftigkeit, beim logischen Denken niemals den festen Boden der Tatsachen, des Phänomens, das wirklich ist, zu verlassen. Mit diesem Rüstzeuge durchzog er die Bahn seiner Erfolge nach Beendigung seiner Studien in Wien 1861, dann als Professor der Physik in Graz und Prag, 1895 für induktive Philosophie in Wien und seit 1901 im Ruhestande, den ein Schlaganfall mit einer Lähmung vergällte, aber trotzdem schaffend bis in seine letzten Lebensjahre. 143 Abhandlungen zählt seine Biographie, darunter seine "Analyse der Empfindungen" in 5 Auflagen, die "Geschichte und die Wurzel des Satzes von der Erhaltung der Energie" 1872 (die Grundlagen der Energetik), "Erkenntnis und Irrtum" 1906, 2. Auflage, seine populär-wissenschaftlichen Vorlesungen 1910, 4. Auflage, die jenen von Helmholtz an die Seite zu stellen sind, seine Werke über Mechanik, Wärme Optik und Akustik und zahlreiche wertvolle Lehrbücher. Die gewaltige Arbeit Machs und seine Bedeutung fanden im Vorjahre die dankenswerte Zusammenfassung und Würdigung in der Monographie von Dr. Hans Henning. Das 18. Jahrhundert mit der französichen Revolution hat die Aufklärungsbewegung zu dem Ziele gebracht, den Siegeslauf der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert zu ermöglichen. Bis dahin war die Vernunft daheim in den Gelehrtenstuben am Werke und förderte Wissen. Imm. Kant hat dessen Grundlagen in seiner Philosophie zusammengefaßt - und einer absoluten, der praktischen Vernuft unerkennbaren Welt der "Dinge an sich" unser freies Bewußtsein mit unabhängigen Vernunfterkenntnissen gegenüberstellt, von dem als Zentrum die Erscheinungen ausgehen, die wir "wirklich" nennen. An die Welt der "Dinge an sich" bindet uns nur das sittliche Bewußtsein durch den kategorischen Imperativ. Er sucht nicht mehr, wie die Metaphysiker vor ihm, nach den letzten Gründen der Dinge, sondern nach den Gründen unserer Erkenntnis der Dinge ("Kritik der reinen Vernunft"), nach der systematischen Darlegung der "a priorischen Elemente" der "Erkenntnis". Die gewaltige Geistesarbeit Kants hatte das Erkenntnisverlangen des 19. Jahrhunderts befriedigt und wieder begann eine Forscherarbeit auf ungezählten Spezialgebieten. Ein jeder formte sich seine neuen Erkenntnisse seinen Zwecken und wieder standen am Ende eines Jahrhunderts glänzende Erfolge durch Erfahrungen einem Chaos von Begriffen gegenüber, die ihren Zweck, dem neuen Schaffen zu dienen, wohl erfüllt hatten, die aber unter sich chaotisch wirkten und die Welt der "Dinge an sich", das unzugängliche Gebiet Kants, gewaltig abräumten. Die Welt bedurfte neuerdings der ordnenden Hand für die neuen Begriffe des Zeitalters der Naturwissenschaften, einer neuen Philosophie als Grundlage der kommenden Zeit. Nicht zuletzt für die Weiterarbeit der Spezialforscher, die sich mit ihren Hilfsbegriffen untereinander nicht mehr verstanden und doch sich gegenseitig befruchten sollten. Der höchste Wert einer Einigung der Begriffe liegt aber in der Heranbildung der Jugend. Wer sich überlegt, um wieviel mehr die Jugend heute lernen muß, als wir, ohne daß sie uns in der Tragfähigkeit des Gehirns überlegen wäre, wird begreifen, daß sie zusammenbrechen müßte, wenn nicht die Wissenschaften und die Pädagogik um dasselbe, was sie an Erfahrungsinhalt mehr besitzen, an Schwerfälligkeit verloren haben würden. Dieser Begriff ist Machs Denkökonomie. Die Wissenschaft ist nach ihm "der sparsamste, einfachste, begriffliche Ausdruck der Tatsachen". Und die genialst denkökonomische Leistung der Menschheit ist die Sprache: die Laut - und die Schriftsprache. Beide sollten je eher international werden. Die Wissenschaft machen wir uns durch Anpassung an die Erfahrung im Sinne der Darwinschen Lehre, der nach Mach die ganze Vernunft, aber auch der Staat, die Kultur und das Leben wie ein Organismus unterliegen. Die Wissenschaft muß also gut aufgebaut sein, ökonomisch, dann kann die Jugend in kürzester Zeit ebensoweit kommen, wie der Entdecker eines Gesetzes in seinem Leben kam. Will sie weiterarbeiten, dann ist nichts besser, als den Werdegang der Entdeckungen historisch zu verfolgen.
Mit den Vorgängen der Natur dürfen wir das künstliche Schaffen nicht gleichstellen. Die Natur ist nur einmal da, sie wiederholt sich nicht. Wir sehen nur gleichartige Fälle und nennen die Wiederholung der Erfahrung ein Naturgesetz. Das ist eine Abstraktion. Diese kann man wiederholen wie das Experiment. Naturgesetze haben nur den Wert, unsere Erwartung einzuschränken. Ursache und Wirkung braucht Mach gar nicht. Nur die Erfahrung. Wird uns diese geläufig, dann gehört die Ursache zu den Eigenschaften, z. B. die Säure ist die Ursache der Rötung des Lackmuspapiers. Später gehört die Rötung des Lackmus zu den Eigenschaften der Säure. Kant nimmt einen angeborenen Verstandsbegriff an. Mach sagt, letztere wird erst durch die Erfahrung. Auch die "Notwendigkeit" braucht Mach nicht. Die Kausalität ist schon subjektiv, sie ist ein Gefühl, das durch die Entwicklung der Art vorgebildet ist. Mach will mit seiner Erkenntnislehre keinen Schritt von den Tatsachen weg und auf die reine Beschreibung hinaus. Er nimmt als Ausgang der Erkenntnis das "natürliche Weltbild": dieses analysiert er, um seine Elemente zu finden. Diese findet er nun nicht wie die mechanische Auffassung in der Masse, der Kraft und den Atomen, sondern in seinen sogenannten "Empfindungen", d.h.  jenen Bestandteilen der Erscheinungen, welche Funktionen zueinander haben, wie Farbe, Töne, Druck, Räume, Zeiten. Diese Empfindungen würden die Grundlagen der Energetik (Ostwald, Helm). Die Körper der Außenwelt haben Funktionen zueinander, welche die Erscheinungen der Physik und Naturwissenschaft bewirken. Die Beziehungen dieser Körper zu meinem Leib gehören in die Physiologie, zu meiner Seele in die Psychologie. Mach will mit denselben Elementen auskommen, wenn er von einem Erfahrungsgebiet in ein anderes tritt. Sein Programm lautet: Es ist ein Standpunkt zu finden, der sich für alle naturwissenschaftlichen Fächer als Grundlage eignet.