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Emigdio Vasquez, "Gandy Dancers", 1974
Öl auf Leinwand, 61 x 91 cm Photo: Emigdio Vasquez

halten hat. Im Hintergrund sind Baumwoll- und Weizenfelder und eine von zwei "vaqueros" bewachte Herde zu sehen - Waren, die auf dem neuerbauten Schienenweg transportiert werden können. Auch hier ist keiner der abgebildeten Bauarbeiter mexikanischer Herkunft, obwohl durch die Viehherde und die ,,vaqueros" eindeutig ein Schauplatz im Westen angedeutet ist. Und Edward Lanings Wandgemälde ,,Die Rolle der Einwanderer in der industriellen Entwicklung Amerikas" in der Ankunftshalle von Ellis Island zeigt die Erbauung der ,,Central Pacific"- und ,,Union Pacific" -Eisenbahnlinien durch chinesische und irische Arbeiter.

Entschuldbar wäre diese Unterschlagung der Rolle mexikanischer Arbeiter allenfalls dadurch, daß sowohl Newell als auch Launig ihre Wandbilder über den Westen der USA m New York malten. Aber selbst ein Mann wie Anton Refregrer, der weithin als links und gewerkschaftlich orientierter Künstler bekannt war, beschränkte seine Darstellung von Menschen lateinamerikanischer Herkunft in dem 27-tafeligen Wandbildzyklus im ,,Rincon Annex" des Zentralpostamtes von San Francisco (begonnen 1941 und 1948 fertiggestellt) auf die traditionellen Konquistadoren und Mönche. Auf der Tafel Nummer 17 zum Thema ,,Der Bau der Union Pacific" zeigt Referier ausschließlich weiße und chinesische Arbeiter. Obwohl sich dieser mit multi-ethnischen Themen und Darstellungen befaßte Zyklus in einer Stadt befindet, die nicht weit vom San-Joaquin-Valley entfernt ist, wo auch damals schon Tausende von Mexikanern als Landarbeiter beschäftigt waren, ist nirgends auch nur der kleinste Hinweis auf diese Arbeiter und ihre erbitterten Streiks zu entdecken. 

Erst mehr als dreißig Jahre später begannen Künstler in den USA, mexikanische Arbeiter als eigenes Thema zu entdecken. So zeigt das von dem Chicano-Künstler Emigdio Vásquez geschaffene Ölgemälde ,,Die Gandy-Tänzer" mexikanische Arbeiter, die für die Instandhaltung der Eisenbahnlinien sorgten. Obwohl das Motiv der großen, von Edward Streichen 1955 für das Museum of Modern Art in New York organisierten Photoausstellung ,,The Family of Man" entlehnt ist, konnte sich Vásquez an solche Szenen aus seiner Kindheit in den Zitrusgebieten Südkaliforniens erinnern. Sein Herangehen an die photographische Vorlage war nicht die des photorealistischen Malers, sondern die eines sozialkritischen Realisten mit ausgeprägtem Klassenbewußstien. Im frühen Licht des anbrechenden Morgens stemmen die Mexikaner gemeinsam die Schienen weg, die durch eine öde und verlassene Landschaft verlaufen; der Betrachter spürt die gleichförmig andauernde Monotonie der Arbeit und die langen Stunden, die die Männer noch unter der heißen Sonne schwitzen werden.

Vásquez benutzte gleichfalls eine photographische Vorlage für die Figur eines mexikanischen Kesselschmieds aus den Lokomotivreparaturwerkstätten von Albuquerque, New Mexico, den er als Teil seines Wandbildes ,,Tribut an die [[Chicano-Arbeiter-klsse"?]], malte. Das Portrait des selbstbewußte Würde ausstrahlenden Mannes in blauen Overalls und mit der typischen gestreiften Mütze der Eisenbahnarbeiter ist dem Bildband ,,450 Years of Chicano History" entlehnt. Ebenso wie der Katalog zu ,,The Family of Man" hat sich dieses Buch, in dem viele Photos aus der Sammlung der ,,Farm Security Administration" abgebildet sind, als Fundgrube für Bilder erwiesen und wurde von Chicano-Künstlern, die sich der Rekonstruktion und dem Aufgreifen ihrer kollektiven Geschichte verschrieben haben, immer wieder verwendet. Vásquez hat ein Gespür für Dokumentarphotos, die besonders aussagekräftige Bildvorlagen abgeben. So stammen auch die beiden Feldarbeiterinnen aus diesem Buch; die eine von ihnen stehend, die andere gebückt bei der Arbeit, bilden diese Frauen das Bindeglied zwischen dem Kesselschmied und dem Bergarbeiter auf der linken Seite und dem Bild von César Chávez neben einem Farmarbeiter philippinischer Herkunft.

Bergbau
Die in der Nähe des Gerichtsgebäudes von Cochise-County in Bisbee, Arizona, aufgestellte Plastik ,,The Arizona Miner",1935 im Auftrag der ,,Federal Relief Administration" von R.Phillips Sanderson hergestellt, zeigt einen ,,Arbeiter mit entblößtem Oberkörper in königlicher Haltung". Diese Darstellung steht in deutlichem Widerspruch zur geschichtlichen Realität. Denn Bisbee befindet sich inmitten eines riesigen Kupfergebietes, das von der Bergbaugesellschaft ,,Phelps Dodge" beherrscht wird. 1917 hatte ,,Phelps Dodge" von bewaffneten Schlägerbanden unter Führung des Schiffs der Stadt Tausende von streikenden Bergarbeitern deportieren lassen und durch Terror die örtliche Organisation der ,,Industrial Workers of the World" in Bisbee und Jerome blutig zerschlagen. Schon früher hatte die Firma erfolgreichen Organisierungsversuchen der ,,Western Federation of Miners" (WFM) ein Ende gemacht, die in den Jahren 1902 und 1903 viele Bergleute mexikanischer Herkunft in die schon bestehenden Gruppen aufgenommen hatte, in dene es zuvor nur weiße Mitglieder gab.

Die gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten der ,,Phelps Dodge Corporation" beschränkten sich freilich nicht nur auf Arizona. Während des Streiks der Bergarbeiter in Cananea im mexikanischen Bundesstaat Sonora im Jahre 1906 gab Walter Douglas, der Aufsichtsratsvorsitzende von Phelps Dodge, höchstpersönlich Waffen an die Polizeitruppen der ,,Arizona Rangers" aus, die dann die Staatsgrenze nach Mexiko überschritten, um den Streik niederzuschlagen.

Um der Sache die Krone aufzusetzen, wurde Sanderson Skulptur ,,The Arizona Miner" in einer der nahegelegenen Hüttenwerke der Phelps-Dodge-Corporation verkupfert. Die Bergwerksgesellschaft hatte ganz offensichtlich keinerlei Bedenken, diese harmlos wirkende Skulptur vor dem Gerichtsgebäude aufzustellen, das Schauplatz vieler von ihr angestrengter Verfahren zur Zerschlagung der Gewerkschaften war. Die heroisierende Darstellung des Bergarbeiters mit seinen Werkzeugen in der Hand wirkt wie blanker Hohn angesichts der tatsächlichen Arbeitsbedingungen in den Kupferminen Bisses und angesichts der erbitterten Kämpfe der Bergarbeiter.

Seit den Tagen des kalifornischen Goldrausches von 1848 haben mexikanische Bergleute – viele von ihnen aus dem an Arizona angrenzenden mexikanischen Bundesstaat Sonora – ihr Kön-

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