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[[underlined]] Entwurf einer Lehrinstitution für den physikalischen Unterricht in Mittelschulen.

Von Professor Ernst Mach.

Allgemeine Bemerkungen. [[underlined]]

1.

Der Unterricht an einer Mittelschule kann entweder der Bildung des jungen Mannes für sich einen Abschluß geben, oder er kann auch als Vorbereitung für den höheren Unterricht dienen. In beiden Fällen ist dafür zu sorgen, daß die Frucht des Unterrichtes nicht bloß in der Aneignung einer gewissen Summe von Kenntnissen besteht, sondern daß auch [[underlined]] formelle Bildung [[/underlined]] erzielt, d.h. daß die Urtheils- u. Beobachtungsfähigkeit von dem Stoffe geübt wird. In beiden Fällen ist die formelle Bildung ein Keim, der sich von selbst fruchtbringend weiter entwickelt. Sie ist nicht zu unterschätzen gegenüber den positiven Kenntnissen, wenn der Schüler unmittelbar ins praktische Leben übertritt, denn er wird sich dann das [[?]] leicht verweigern, während selbst sein vollgeladener Kopf ihm in kritischen Fällen nicht aus der Noth helfen kann. Sie ist aber das Hauptziel, wenn der Unterricht an einer höheren Anstalt erst vollendet wird. Dann muβ ja ohnehin [[alles?]] Erlernte umgeformt u. als Material u. Grundlage des Neuen verwendet werden. Es ist deshalb zweckmäßig, [[underlined[] wenn der Stoff möglichst beschränkt, dafür aber möglichst vielseitig bearbeitet wird.[[/underlined]] Nur durch verschiedene Behandlung derselben Sache begreift man das Wesen der Methode u. erlangt Fertigkeit im Gebrauche derselben. Natürlich werden auch die mehr bildenden Theile der Physik (wie etwa Mechanik) den übrigen gegenüber bevorzügt werden müβen.

2.

Man kann dem Schüler ohne Zweifel ein ausgedehntes Wissen beibringen, indem man von fertigen Definitionen u. Begriffen ausgeht, fertige Lehrsätze hinstellt u. dieselben beweist. Dieses Verfahren ist nicht einmal so schlimm, wenn es in der Mathematik angewandt wird, weil dort der Schritt von der bloßen Anschauung zur Definition u. zum Satze sehr kurz ist, u. von jedem fähigen Schüler ergänzt werden kann. Das physikalische Wissen, welches auf diese Art erworben ist, erscheint immer als ein äußerlich aufgedrängtes. Gerade dem Schüler, der auch denkt, werden sich plötzlich Unklarheiten ergeben, die er nicht zu lösen vermag, wenn er nicht weiß, wie man zu den an die Spitze gestellten Begriffen gelangt ist.
Es ist z.B. gewiß ein Fehler, wenn man den freien Fall so abzuleiten versucht: "die Schwere ist eine [[underlined]] constante Kraft [[/underlined]], welche dem Körper in jedem folgenden gleichen Zeittheilchen denselben [[underlined]] Geschwindigkeitszuwachs [[/underlined]] ertheilt, folglich v = gt, folglich S = gt/2 * t u.s.w. Man kennt die Schwere durch den Druck auf die Unterlage u. durch die Fallbewegung. Niemand, der es nicht versucht oder erfahren hat, kann wissen, daß Druck in Bewegung übergeht, noch weniger, [[underlined]] wie [[/underlined]] er in Bewegung übergeht. Niemand kann also a priori wissen, daß beim Wegziehen der Unterlage der Druck sich in eine [[underlined]] Beschleunigung [[/underlined]] verwandelt.

[[margin]] B. Siehe Lehrbuch der Physik u. Metorologie von Prof. Müller (5. Aufl.) S. 207 - 208
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Es wird sich hier empfehlen, einfach erzählend vorzuführen, daß [[underlined]] Galilei [[/underlined]], ohne an die Ursache der Fallbeschleunigung zu denken, die Natur derselben [[underlined]] experimentell [[/underlined]] untersucht hat. Er hat gefunden, daß bei derselben in gleichen Zeiten gleiche Geschwindigkeiten zuwachsen. Das ist die mathematische [[underlined]] Regel [[/underlined]] nach welcher die Fallbewegung stattfindet. (v = gt). Durch Beachtung anderer Umstände: S, t - findet man eine andere Regel für dieselbe Bewegung S = gt²/2. Ebenso leicht noch eine dritte gS = v²/2. Aus jeder dieser Regeln lassen sich rein mathematisch die anderen ableiten.
Es ist also eine Thatsache, daß der Erde frei gegenüberstehende Körper eine [[underlined]] Beschleunigung [[/underlined]] (Freyheit) gegen den Erdmittelpunkt erhalten. Hieran läßt sich nun, nachdem das Verhältnis von Masse und Gewicht erläutert ist, die Definition der Kraft anknüpfen.
[[underlined]] Anmerkung [[/underlined]] (bezüglich der Freyheit). Wenn die Erde den Körpern nicht [[underlined]] [[Lagen?]] [[/underlined]] oder [[underlined]] Geschwindigkeiten [[/underlined]]

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B. S = gt*t/2
   gS = g*g*t*t/2
   gS = gt*gt/2
   gS = v*v/2
   gS = v²/2
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