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Von der rothen Farbe für die Malerei.        91

ausnehme, das Wasser bewege sich, und wolle kochen.  Wenn es auf diese Art kochet, wirft man erwähnte 2 Loth pulverisirte Kochenille darein, und lässt alsdenn das Wasser auf bemeldete Art 3 Minuten kochen; wirft darauf sogleich 30 bis 35 Gran fein gestossenen römischen Alaun in dieses kochende Wasser, lässt es ein paar Minuten miteinander kochen, nimmt es hernach sofort vom Feuer, bedeckt es, und lässt es so lange beim Feuer stehen, bis es kalt wird.  Beim Hineinwerfen des Alauns bemerkt man sogleich eine Veränderung an der rothen Farbe, und dass sie mehr licht, und angenehm wird.  Indem man sie also stehen, und kalt werden lässt, fällt die rothe Farbe von selbst zu Boden, und das Wasser behält eine der Leibfarbe gleichende Röthe.  Wenn sie nun dergestalt ganz kalt wurde, und die dickste rothe Farbe sich auf dem Boden gesetzt hat, muss man sie ja nicht umrühren, sondern das röthliche Wasser durch einen Heber, oder sonst auf eine schickliche Art aus einem Gefässe in das andere bringen, dass die gesetzte rothe Materie auf dem Boden liegen bleibe.  Alsdenn nimmt man dieses röthliche Wasser, giesst es auf flache steinerne Teller, und lässt es 24 Stunden und länger stehen, so fällt die sehr feine rothe Materie zu Boden, setzet sich um die Ränder der Teller, und das Wasser wird immer bleicher.  Dieses wiederholt man so oft, bis das Wasser meistentheils seine Farbe verloren hat, ziehet es wieder mittels eines Hebers aus einem Gefässe in das andere, und lässt es allemal 24 Stunden stehen, damit allezeit etwas zu Boden fallen kann.  Diese sehr feine rothe Materie verwahrt man, alsdenn trocknet sie, und ist die Farbe, welche man Karmin nennet.

Aus der gröberen Materie, welche auf dem Boden des Kessels liegen bleibt, wenn man das erstemal das rothe Wasser durch den Heber abzieht, verfertiget man das ächte Florentinerlack, wie ich an seinem Orte zeigen werde.

Einige machen den Karmin wohl auch von Brasilien- und Fernambuckholze, welches sie in einem Mörser recht gestampft, und hernach in weissen Weinessig eingeweicht haben; da denn der Schaum, welcher herausgeht, nachdem solches zusammengekocht worden, Karmin ist, welcher aber der Schönheit des ersteren auf keinerlei Weise gleichkömmt.

Die Phytolaka, eine inländische Pflanze, giebt aus ihrer traubenförmigen schwarzen Beere, wenn sie reif ist, ebenfalls einen schönen karminrothen Saft; nur Schade, dass derselbe bald wieder verschiesst.

Der ächte Karmin, wenn er recht gut seyn soll, muss ein so zartes Pulver seyn, welches man fast nicht mit den Händen fühlen kann, anbei hoch von Farbe, und auch sonst aufrichtig, und reinlich gemacht seyn.  Ehemals war derselbe dem Golde am Werthe gleich, itzt aber ist er mehr gemein.

Der Karmin wird vornemlich zur Miniatur, und weil er sehr theuer ist, in Oelfarben nur zu den rahresten, und kunstreichsten Stücken, sonderlich zu den Gewändern gebraucht.  Er muss mit einem hellen schönen Firniss klein gerieben werden, und zwar nur so viel, als man auf einmal vonnöthen hat.

M 2            Man
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Transcription Notes:
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