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Vierter Abschnitt.

Man braucht den Karmin auch bei mathematischen Rissen, da er, wenn veil Wasser dazu gethan wird, Rosenfarbe, wenn aber wenig Wasser dazu gethan wird, Karmosinfarbe abgiesst.  Der Karmin ist zwar keine Saftfarbe, hat aber beinahe solche Wirkung, dass er die untere Farbe nicht ganz decket, falls er nicht sehr stark angemacht ist, sondern solche durchschimmern lässt; daher, wenn etwas mit Tusche angeleget und ausgearbeitet ist, und Karmin darüber gelegt mird, man die ganze Tuschzeichnung erkennen kann, welches nicht geschehen würde, wenn man das Tuschirte mit Zinnober, Mennig, oder Kugellack überlegen wollte; da diese Farben viel zu irdisch, und zu rauch sind, daher man sie zu mathematischen Rissen, als welche mit einer gelinden Farbe erscheinen sollen, nicht brauchet, wohl aber verwechselt man zuweilen mit Karmin zu Anlegung grosser Plätze, und zu Menagirung des theuren Karmins, ans Holz gekochte rothe Farbe, oder sogenannte rothe Tinte.

Die Zubereitung des Karmins zu deiser Absicht geschieht: dass man ihn, wenn man selbigen trocken bekömmt, mit etwas Gummiwasser in eine kleine Muschel, in ein gläsernes Schälgen thut, und beides mit einem kleinen Pinsel so lange darinn herumreibet, bis man gewahr wird, dass es sich gut miteinander vermischt habe, und der Karmin nicht mehr körnig aussieht.  Besser aber ist es doch, dass man diese Farbe einmal in dem Schälgen erst trocken werden lässt, ehe man sie gebrauchet, und wenn man sie nachher brauchen will, nur wieder mit ein wenig Wasser anmachet, und sie mit einem kleinen Pinsel umrührt.  Bei Rissen wird der Karmin doch mit Wasser ziemlich diluiret, zu solchen Sachen gebraucht, welche roth erscheinen, z. B. ein Ziegeldach, eine Mauer von Ziegeln.  Hat man breite Plätze damit zu überlegen, so läutert man dazu den Karmin, das ist: man macht ihn mit Wasser ziemlich dünn, lässt ihn eine halbe Stunde stehen, und giesst das oben stehende Klare in ein anderes Schälgen ab.  Dieses ist alsdenn Läuterkarmin.  Schiene er, wenn eine Sache damit angelegt wird, zu blass, so kann man, wenn das Angelegte recht trocken geworden, solches noch einmal damit überlegen, da es denn dunkler wird; und es ist besser eine Sache zweimal mit blassem Karmine, als einmal mit dunkeln anzulegen, weil letzteres gemeiniglich hässliche Flecken verursachet.

Die Tuchhändler bedienen sich des Karmins, die Flecken in ihren Scharlachen, die in der Farbe weiss geblieben sind, damit anzustreichen, und zu verbergen.  Mit dem Karmine gehet bei dem Verkauf grosser Betrug vor, da bald Zinnober, bald florentiner Lack, oder sonst ein wohlfeiles Roth mit untermischt wird.  Hochrothe, oder Ponceaufarbe, verräth den untergemischten Zinnober.  Die beste Probe ist, wenn man ein wenig Karmin mit Wasser, worunter sehr wenig, oder gar kein Gummi gethan wird, dünn, oder ziemlich fliessend anmacht, mit einem Pinsel wohl umrührt, eine Weile stehen lässt, und zusieht, ob der Karmin sich vom Wasser wieder abgesondert, zu Boden gefallen, und dem Wasser wenig, oder gar keine Röthe zurückgelassen, in welchem Fall der Karmin gar nichts taugt; bleibt aber das obenstehende dünne noch ziemlich roth, und
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