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Von der Miniatur-Malerei.         29

dass er nothwendig ist.  Das ächte Publikum lacht der stillen Talente eines bescheidenen Künstlers, und er wird in Ewigkeit nicht sein Glück machen; wenn er aber in seinem Aeussern, in seiner Kleidung, in seinem Aufwande Aufsehen erregt, so trauet man ihm auf der Stelle Kunstfertigkeiten und grosse Talente zu, und er bekommt im kurzen viele Arbeit; besonders wenn er noch die Klugheitsregel dabei beobachtet, dass er theuer malt: wohlfeile Arbeit, wenn sie auch ein Meisterstück ist, findet im Ganzen immer weniger Beifall, als jene, die theuer bezahlt werden muss.  Man schliesset so: Dieses Gemälde ist kostbar, also ist es auch, oder es muss vielmehr vortrefflich seyn.

XVIII.

Der Maler selbst ist sein bester Kunstrichter.

Hat der Künstler es in seiner Kunst schon so weit gebracht, dass er vor andern seine Kräfte fühlt, so kann er als der beste Richter seiner Werke allen Schwierigkeiten trotzen, der Vorurtheile lachen, und alberne Afterkenner verachten.  Dieses setzet jedoch einen Maler voraus, der alle Theile seiner Kunst übersieht, sie vollkommen in seiner Gewalt hat, und mit Verstand zu benützen weis, mit einem Worte, einen grossen Künstler.  Da die Praxis ohne Theorie nicht allein hinlänglich ist, so müssen beide sich die Hände bieten.  Die Malerei gleicht einer langen Reise, auf der man eines verständigen Führers nicht entbehren kann.  Nicht immer erreicht der Schnellste am sichersten das Ziel.

XIX.

Von dem Urtheile der Kunstverwandten.

Unterwirft man seine Arbeit der Beurtheilung eines Kunstverwandten, so kann man durch dessen anscheinende Freimüthigkeit oft fehr leicht hintergangen werden.  Man beobachte daher aufmerksam die Veränderungen auf seinem Gesichte.  Wird er bleich, und betrachtet er lange das Gemälde, so ist die Arbeit gut: ist er aber zu freigebig mit seinem Lobe; meinet er es mit einem Bravo in die Hand, und versichert hundertmal auf seine Ehre, es sey vortrefflich: so ist dieses ein sicheres Zeichen, dass sie nur sehr mittelmässig ist.  Leider lehret die Erfahrung, dass dieses gewöhnlich der einzige Nutzen des ihnen bewiesenen Zutrauens ist.  Doch ist die Rede hier nicht von wahren Freunden oder ächten Kunstverständigen.  Das Lob der letztern ist belehrend; erstere sprechen, wie sie denken, und selbst in ihrem Schweigen liegt Ausdruck ihrer Gedanken.

XX.