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Meinungen


Menschen da sind. In einer wahren Demokratie haben die Parteien und der Staat eine dienende Rolle.  

Viele Fehlschläge der Politik legen Veränderungen des gesamten Systems nahe. Und es hat sich bisher gezeigt, daß diese fast nie von oben nach unten durchgeführt worden sind. „Oben" ist noch viel zuviel Interesse am Weiterführen des existierenden Systems.

Statt dessen kommt der Druck zur Transformation von einer Mittelschicht, die weder ihre volle Aufmerksamkeit auf das Überleben richten muß, noch zuviel in das gegenwärtige System investiert hat, um es stützen zu müssen.

Die wirkliche Herausforderung der Machthaber liegt darin, die nötigen Systemveränderungen auf friedliche Weise zuzulassen. Während dies in China 1989 nicht der Fall war, hat der Geist der Perestroika die Unterdrückung in den Ostblockstaaten unterwandert und wurde von den Machthabern zum Teil richtig eingeschätzt. Die erste Phase der Umgestaltung zumindest war friedlich.

Das Dilemma einer Demokratie

Wichtig ist das Verständnis für die interaktiven Möglichkeiten, die eine Demokratie und eine Marktwirtschaft in sich bergen. Die verschiedenen Elemente einer Gesellschaft (Personen, Unternehmen oder staatliche Institutionen) treffen sozusagen Mikroentscheidungen, wie beispielsweise eine bestimmte Personalentscheidung, die Entscheidung für eine bestimmte Gesetzesvorlage oder auch nur für eine bestimmte Art der Freizeitgestaltung. Die „Mikroentscheidungen" stehen in Wechselbeziehung zueinander und leiten über zu „Makroergebnissen", die die Gesellschaft und sogar die Welt beeinflussen (Staats- und Privatschulden, Umweltverschmutzung, Klimaveränderung).

Das Problem ist, daß vernüftige Mikroentscheidungen, an herkömmlichen Kriterien gemessen, seit einiger Zeit zu negativen Makroergebnissen führen. Im weitesten Sinn ist dies das grundlegende Dilemma unserer Gesellschaft. Das zu erkennen bedeutet, die Schuldsuche aufzugeben und zu beginnen, die Veränderungen herbeizuführen, die den Prozeß wieder ins Lot bringen.

Wenn eine Übereinstimmung der übergeordneten Werte und Ziele fehlt, entscheiden einzelne und Institutionen auf der Basis ihrer kurzfristigen Eigeninteressen, die zu Makroergebnissen führen, die von niemandem gewünscht wurden. Lösungen werden in gesetzlichen Regelungen wie den Umweltschutzbestimmungen, oder bei Institutionen wie dem Kartellamt oder der Bankenaufsicht gesucht. Trotzdem vertieft sich das Dilemma.

Es scheint, als besäßen wir die Intelligenz und die Mittel, angemessene nationale und globale Ziele im Einklang mit der Natur zu definieren und daraus Mikroentscheidungen abzuleiten, mit denen wir angemessen leben können. Das ist aber eine Täuschung.

In einer Demokratie können Ziele nicht diktiert werden - selbst wünschenswerte nicht. Es gibt keine übergeordneten Ziele, die, einmal festgelegt, unzweideutig die gesellschaftlichen Handlungen bestimmen. Vielmehr gibt es ein Bündel von Zielsetzungen, die sich allerdings häufig widersprechen und partiell Konflikte auslösen, wie zum Beispiel Energiesparmaßnahmen, Müllvermeidung, Umweltschutz und Wirtschaftswachstum. Jedoch Mikroentscheidungen erzwingen oder Verhaltensweisen manipulieren zu wollen, wäre mit demokratischen Prinzipien unvereinber.

Aktive Beteiligung der Bürger auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene setzt wandlungsfähige Menschen und Institutionen voraus sowie neue Formen der Kooperation. Eine zunehmend komplexer werdende Gesellschaft kann nur auf einer solchen Basis nach dem Grundsatz der Freiheit geführt werden. Es wäre einfältig zu glauben, daß wir auf Kosten der Weltbevölkerung so weiterleben können und ungeschoren davonkommen.

Herausforderungen und Lösungen

Politik hat der Gesellschaft als Ganzes zu dienen, ohne über das Ganze zu verfügen. Verwaltung ist der Träger öffentlicher Gewalt, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. Der heutige Gigantismus ist das Gegenteil davon. Deshalb liegt eine Lösung im grundlegenden Abbau und der Dezentralisierung von Bürokratien, zugunsten sensibel agierender, auf örtliche Belange ausgerichteter Verwaltungen. Die bürgernahe Politik (Volksentscheide) setzt Rahmenbedingungen 

11    IBM NACHRICHTEN 41 (1991) HEFT 304