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Sehr lebhaft interessierte sich Mach für den Unterricht in den Naturwissenschaften und für die Bildungsfragen überhaupt. Er verfaßte nicht nur Lehrbücher der Physik für Mittelschulen und erfand eine ganze Anzahl von in den meisten Schulen benutzten Apparaten für Vorlesungsversuche - es sei hier nur an die sog. "Machsche Longitudinal-Wellenmaschine" erinnert -, sondern publizierte auch im Jahre 1886 eine sehr geschätzte Abhandlung "Ueber den relativen Bildungswert der philologischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer für höhere Schulen", die jetzt in der Sammlung seiner oben erwähnten populären Vorträge enthalten ist. - Im Verlaufe seines jahrzehntelangen Nachdenkens über die Prinzipien der Wissenschaft entwickelte sich aber Machs Tätigkeit, wie schon gesagt, immer mehr in philosophischer Richtung. Sie begann mit den Studien über die Methoden der rein naturwissenschaftlichen Forschung, erweiterte sich dann zu einer allgemeineren Untersuchung über den Ursprung, den Gang und den Wert der Wissenschaft überhaupt und behandelte mit besonderer Kraft das Thema der Berechtigung und Elimination der Metaphysik. Von den Problemen, die in das rein philosophische Gebiet gehören, behandelte Mach vornehmlich die Probleme von Zeit und Raum, das Verhältnis des Physischen und Psychischen, das Kausalitäts - und das Ich - Problem. Wie sich bei Mach von selbst versteht, stets in nüchterner, klarer, von Geistreichtum, Spitzfindigkeit und bohrendem Scharfsinn freien Art des Argumentierens.
Eine nicht geringe Anzahl seiner erkenntnistheoretischen Resultate ist bei Fachleuten wie bei Laien der Philosophie bereits sozusagen populär und wird in weiten Kreisen als bleibender Gewinn für die Philosophie betrachtet. Jeder Gebildete kennt wohl Machs Prinzip der Oekonomie des Denkens als Wesen aller wissenschaftlichen Methode, die hiernach darin besteht, die Tatsachen auf die einfachste Weise vollständig zu beschreiben, wie das später auch der Physiker Kirchhoff behauptete; ebenso das andere Prinzip, wonach die Wissenschaft durch Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und Anpassung der Gedanken untereinander entsteht.
Das große und vielumstrittene Problem des Unterschiedes zwischen Geistigem und Körperlichem behandelte Mach auf zwei Arten, von denen jede sehr viel für sich hat und die das gleiche fundamentale Resultat ergeben, daß das Physische und Psychische in der Wurzel identisch sind. In der "Analyse der Empfindungen" drückt sich Mach hierüber ungefähr in folgender Weise aus: Die ganze innere und äußere Welt setzt sich aus einer Zahl von heute für uns nicht weiter auflösbaren Elementen, sogenannten Empfindungen, zusammen, aus Farben, Tönen, Wärmen, Drücken, Räumen usw.; wenn man nun auf die Abhängigkeit dieser Elemente voneinander achtet, so nennen wir sie "physisch", wenn aber auf ihre Abhängigkeit von unserem Organismus, so treibt man "Psychologie".
In "Erkenntnis und Irrtum" sagt Mach über dieses Problem folgendes: "Die Gesamtheit des für alle im Raum unmittelbare Vorhandenen mag als das Physische, dagegen das nur einem unmittelbar Gegebene, allen anderen aber nur durch Analogie Erschließbare vorläufig als das Psychische bezeichnet werden. Die Gesamtheit des nur einem unmittelbar Gegebenen wollen wir auch dessen (engeres) Ich nennen." Von ebenfalls fundamentaler Wichtigkeit ist Machs Elimination des Kausalitätsbegriffs und dessen Ersatz durch den Funktionsbegriff, d. h. durch den der allseitigen Abhängigkeit, und die Aufklärung, daß wir fälschlicherweise gewohnt sind, die auffallenden Abhängigkeiten als eigentliche Ursachen anzusehen. Nicht minder eingreifend ist bei Mach die totale Aufhebung des Substanzbegriffs, mit der sich später Petzoldt in dem Werke "Das Weltproblem" eingehend befaßte. 
Es ist hier nicht der Platz, auf die eben erwähnten Machschen Problemlösungen näher einzugehen, auch muß ich es mir schon darum versagen, weil ich in Philosophie kein Fachmann bin. Dennoch möchte ich nicht gerne einige Gedanken über die wichtigsten jener Lösungen unausgesprochen lassen.
Vor allem über die oben erwähnten von Mach so genannten "Elemente" der inneren und äußeren Welt. Es wurde viel gegen diese Bezeichnung polemisiert, und namentlich die Physiker und Chemiker, welche die Atome als letzte (oder vorletzte) Bestandteile der Welt betrachten und sie für den Fortschritt in ihren Disziplinen sehr fruchtbar zu verwenden wissen, wollen die Machschen Elemente, nämlich Farben, Töne, Wärme, Drucke usw., nicht als solche gelten lassen. Die atomistische Auffassung, meinen die meisten Physiker und Chemiker, greife ungleich mehr in die Tiefe unseres Weltverständnisses als die Hervorhebung von Farben, Tönen usw. Allein gerade umgekehrt verhält sich die Sache.
Mach ging in seinem philosophischen Denken in der allergewissenhaftesten Weise vor und sprach nur das aus, was er auf das strengste verantworten konnte. Versuche doch jemand, irgend etwas in unserem Erleben zu bezeichnen, über das er nicht mehr hinausgehen, d.h. das er nicht weiter in einfachere Bestandteile dieser Erlebnisse zerlegen kann. Er wird sehen, daß er über jene Machschen Elemente, die zugleich von jedem anerkannte Tatsachen sind, nicht hinauskommen kann. Kann jemand eine Ton - oder Farbenempfindung in weitere Bestandteile zerlegen? Gewiß nicht, er kann sie nicht "erklären", sondern muß sie als Gegebenes anerkennen und dann die ganze komplizierte Welt aus solchen Elementen aufbauen.
Wenn man z. B. ein Atom charakterisieren will, so kann man das nur durch Aufzählung seiner Eigenschaften tun, und diese Eigenschaften sind nichts anderes als eben die Machschen Elemente, respektive Empfindungen. Man spricht von Größe oder Kleinheit, Masse, Bewegung usw. der Atome oder Moleküle, d.h. von Raum-, Druck- und Gesichtsempfindungen, also von den so perhorreszierten "Elementen"; es ist also evident, daß wir den Begriff des Atoms  aus ihnen zusammensetzen, ein Atom- oder gar der philosophische Monadenbegriff ist daher ungleich komplizierter als irgendeines der Machschen Elemente.
Die Einführung der Bezeichnung "Elemente" durch Mach wurde so sehr mißverstanden, daß man sie sogar als Beweis dafür benutzen wollte, daß in Machs Lehre metaphysische Bestandteile enthalten seien; ein Vorwurf, der - wenn er begründet wäre - einen um so stärkeren Eindruck machen müßte, als das Hauptbestreben Machs in allen seinen Arbeiten eben dahin zielt, überall alles Metaphysische auszutreiben. Ein Gegner Machs äußert sich folgendermaßen:
"Woher weiß man dann etwas von letzten einfachen Empfindungen? Keine einzige unserer Empfindungen bleibt auch nur einen Augenblick konstant. Entweder sind die Elemente einfach, dann können wir sie nicht unmittelbar wahrnehmen, oder sie verändern sich selbst, so können sie nicht einfach sein... Die Empfindungen, sollen sie als "letzte Elemente" des Seelenlebens einen Wert haben, so müssen sie, wie die "letzten Dinge" des Physikers, die Atome und die Wirbelringe, definiert werden als etwas, das absolut einfach ist und das wir uns niemals anschaulich vorstellen können. Sie sind also Abstraktionsprodukte und keine Realitäten, und wer solche für real hält, treibt Metaphysik; sie sind also metaphysisch..." (Bernhard Hell in "Ernst Machs Philosophie. Eine erkenntniskritische Studie über Wirklichkeit und Wert", S.28.)
Der Fehler in dieser Einwendung ist nun der, daß sie Machs "Elemente" überhaupt mit den Atomen des Physikers vergleichen will, so daß man jene Elemente ebenso wie die sogenannten Atome mittelst der Abstraktion aus der ganzen Welt der materiellen Vorgänge wie mit einer Pinzette höherer Art herausheben und als ein Präparat höchster Kunst isolieren könnte. Aber jene "Elemente" sollen ja gar nicht bleibende Substanzen, wie etwa die Atome, bedeuten, sondern ein Alphabet aller Erlebnisse (oder alles sogenannten Seienden, das wir eben fühlen) bedeuten; jenes Alphabet, welches wir für unsere Berichterstattung über alle Erlebnisse oder Vorgänge als einfachste Hilfsmittel benützen. Und wenn man genauer hinsieht, so besteht diese Berichterstattung, dieses Referat, diese Weltbeschreibung in der Tat aus nichts anderem als eben aus lauter Kombinationen dieses Alphabets, also aus Kombinationen der Druck-, Farben-; Raum- usw. Empfindungen, wobei selbst die abstraktesten Gedanken ebenfalls nichts anderes als Komplexe solcher Empfindungen sind.
Es ist damit so, wie wenn jemand nach den Elementen der Vorgänge in der Ilias fragen würde. Offenbar sind nur die Buchstaben des Alphabets die Elemente der Darstellung jener Vorgänge (wie auch der Reflexionen des Dichters). Aber die Elemente der Vorgänge selbst sind die Buchstaben des Alphabets gewiß nicht, und es ist eine ganz andere Frage, ob man die einfachsten Bestandteile derselben überhaupt herausfinden kann.
Mach behauptet also mit seiner Aufstellung der "Elemente" nur dies, daß man bei Mitteilung, respektive Beschreibung aller unserer Erlebnisse nicht über jene Elemente hinauskommt. Und da nach Mach alle 
Wissenschaft in Beschreibung der Tatsachen besteht, so sind jene Elemente als letzte, einfachste Bestandteile der Wissenschaft, als Referat über die erlebte Welt und nicht als letzte Elemente der Welt selbst anzusehen. Ueber das bloße Referat aller unserer Erlebnisse kommen wir, soliderweise, nicht hinaus. Wer aber letzte Elemente der Welt sucht oder gar gefunden zu haben