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Physik. Zeitschr. XVII,1916. Ernst Mach +.  3
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genaues oder ungleiches Maß der Dauer, dessen man sich gewöhnlich statt der wahren Zeit bedient, wie Stunde, Tag, Monat, Jahr."
Mach:"....Wenn ein Ding A sich mit der Zeit ändert, so heißt dies nur, die Umstände eines Dinges A hängen von den Umständen eines anderen Dinges B ab. Die Schwingungen eines Pendels gehen in der Zeit vor, wenn dessen Exkursion von der Lage der Erde abhängt. Da wir bei Beobachtung des Pendels nicht auf die Abhängigkeit von der Lage der Erde zu achten brauchen, sondern dasselbe mit irgendeinem anderen Ding vergleichen können (....), so entsteht leicht die Meinung, daß alle diese Dinge unwesentlich seien.... Wir sind außerstande, die Veränderungen der Dinge an der Zeit zu messen. Die Zeit ist vielmehr eine Abstraktion, zu der wir durch die Veränderung der Dinge gelangen, weil wir auf kein bestimmtes Maß angewiesen sind, da eben alle untereinander zusammenhängen."
Newton:"Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äußeren Gegenstand stets gleich und unbeweglich."
"Der relative Raum ist ein Maß oder ein beweglicher Teil des ersteren, welcher von unseren Sinnen, durch seine Lage gegen andere Körper bezeichnet und gewöhnlich für den unbeweglichen Raum genommen wird."
Dann folgt eine entsprechende Definition der Begriffe "absolute Bewegung" und "relative Bewegung". Hierauf:
"Die wirkenden Ursachen, durch welche absolute und relative Bewegung voneinander verschieden sind, sind die Fliehkräfte von der Achse der Bewegung. Bei einer nur relativen Kreisbewegung existieren diese Kräfte nicht, aber sie sind kleiner oder größer, je nach Verhältnis der Größe der (absoluten) Bewegung."
Es folgt nun die Beschreibung des wohlbekannten Eimerversuches, welcher die letzte Behauptung anschaulich begründen soll. 
Die Kritik, welche Mach diesem Standpunkte zuteil werden läßt, ist sehr interessant; ich zitiere aus derselben einige besonders prägnante Stellen. "Wenn wir sagen, daß ein Körper K seine Richtung und Geschwindigkeit nur durch den Einfluß eines anderen Körpers K' ändert, so können wir zu dieser Einsicht gar nicht kommen, wenn nicht andere Körper A,B,C... vorhanden sind, gegen welche wir die Bewegung des Körpers K beurteilen. Wir erkennen also eigentlich eine Beziehung des Körpers K zu A,B,C.... Wenn wir nun plötzlich von A,B,C... absehen, und von einem Verhalten des Körpers K im absoluten Raume sprechen wollten, so würden wir einen doppelten Fehler begehen. Einmal könnten wir nicht wissen, wie sich K bei Abwesenheit von A,B,C... benehmen würde, dann aber würde uns jedes Mittel fehlen, das Benehmen des Körpers K zu beurteilen, und unsere Aussage zu prüfen, welche demnach keinen naturwissenschaftlichen Sinn hätte."
"Die Bewegung eines Körpers K kann immer nur beurteilt werden in bezug auf andere Körper A,B,C.... Da wir immer eine genügende Anzahl gegeneinander relativ festliegender oder ihre Lage nur langsam ändernder Körper zur Verfügung haben, so sind wir hierbei auf keinen bestimmten Körper angewiesen, und können bald von diesem, bald von jenem absehen. Hierdurch entstand die Meinung, daß diese Körper überhaupt gleichgültig seien."
"Der Versuch Newtons mit dem rotierenden Wassergefäß lehrt nur, daß die Relativdrehung des Wassers gegen die Gefäßwände keine merklichen Zentrifugalkräfte weckt, daß dieselben aber durch die Relativdrehung gegen die Masse der Erde und die übrigen Himmelskörper geweckt werden. Niemand kann sagen, wie der Versuch verlaufen würde, wenn die Gefäßwände immer dicker und massiger und zuletzt mehrere Meilen dick würden..."
Die zitierten Zeilen zeigen, daß Mach die schwachen Seiten der klassischen Mechanik klar erkannt hat und nicht weit davon entfernt war, eine allgemeine Relativitätstheorie zu fordern, und dies schon vor fast einem halben Jahrhundert! Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Mach auf die Relativitätstheorie gekommen wäre, wenn in der Zeit, als er jugendfrischen Geistes war, die Frage nach der Bedeutung der [[underlined]] Konstanz der Lichtgeschwindigkeit [[/underlined]] schon die Physiker bewegt hätte. Beim Fehlen dieser aus der Maxwell - Lorentzschen Elektrodynamik fließenden Anregung reichte auch Machs kritisches Bedürfnis nicht hin, um das Gefühl der Notwendigkeit einer [[underlined]] Definition der Gleichzeitigkeit örtlich distanter Ereignisse [[/underlined]] zu erwecken.
Die Betrachtungen über Newtons Eimerversuch zeigen, wie nahe seinem Geiste die Forderung der Relativität im allgemeineren Sinne (Relativität der Beschleunigungen) lag. Allerdings fehlt hier das lebhafte Bewußtsein davon, daß die Gleichheit der trägen und schweren Masse der Körper zu einem Relativitätspostulat im weiteren Sinne herausfordert, indem wir nicht imstande sind, durch Versuche darüber zu entscheiden, ob das Fallen der Körper relativ zu einem Koordinatensystem auf das Vorhandensein eines Gravitationsfeldes oder auf einen Beschleunigungszustand des Koordinatensystems zurückzuführen sei.