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Heft 5. 
2. 2. 1917]
Went: Periodische Erscheinungen beim Blühen tropischer Gewächse.     73

Die Frage mußte aber allgemeiner gefaßt werden, indem nicht allein das Austreiben der Blütenknospen, sondern auch dasjenige der Blattknospen, der Blattfall, die Jahresringbildung, und überhaupt alles mögliche Periodische der Pflanze hinzugezogen wurde. Bekanntlich hat in den letzten Jahren besonders Klebs sich bemüht, zu zeigen, daß alles periodische, was bei Pflanzen beobachtet wird, ihre Erklärung finden kann in dem periodischen Wechsel der verschiedenen äußeren Bedingungen. Andere Forscher, wie Simon und Volkens, sind entgegengesetzter Meinung.
  Dabei wird die Beweisführung oft derart gehalten, daß die Äquatorialgegenden beigezogen werden, und zwar teilweise wegen der Art des Verhaltens europäischer Bäume, welche in die Berge der Tropen verpflanzt wurden, und teils wegen des Verhaltens der tropischen Bäume selbst. Nun muß dazu bemerkt werden, daß man in sehr vielen tropischen Gegenden ebenfalls eine Periodizität im Klima beobachten kann, zwar nicht oder kaum was die Temperatur betrifft, aber gewöhnlich sehr deutlich im Betreff der Feuchtigkeitsverhältnisse; infolgedessen lassen sich oft eine Regenzeit und eine Trockenzeit unterscheiden. Selbst in Buitenzorg auf Java, wo wohl die meisten derartigen Beobachtungen gemacht wurden, ist dieser Unterschied sehr gut wahrnehmbar; es ist nicht ein ewigfeuchtes Klima, wie bisweilen behauptet wird. Und wenn man genauer hinsieht, so gibt es wohl kaum irgendein Klima auf Erden, welches wirklich so gleichmäßig ist, wie hinsichtlich derartiger Untersuchungen erwünscht wäre.

Nun gibt es aber Erscheinungen in den Tropen, welche zwar auffallend periodisch sind, aber in keiner Weise von dieser großen jährlichen Periode verursacht werden können, indem ihre Periode dazu viel zu kurz ist. Ich meine hiermit Erscheinungen, welche man bei gewissen tropischen Blüten beobachtet. Diese sieht man in einer bestimmten Gegend bei allen Individuen einer bestimmten Art fast gleichzeitig zutage treten; das trifft z. B. zu beim Kaffee, dessen schneeweiße Blüten auf einmal in einer Gegend sich öffnen, so daß eine ganze Plantage mit Blüten prangt, um dann bald wieder zu verschwinden. Es gibt auch eine andere Pflanze, wo diese ganze Erscheinung noch viel auffälliger ist. Nicht allein jeder Botaniker, der die malayische Inselwelt, speziell Java besucht, hat diese rätselhafte Pflanze gesehen, sondern auch Laien sind derart darauf aufmerksam geworden, daß die Pflanze von den europäischen Bewohnern dieser Gegend selbst eine Namen erhalten hat (auf holländisch "duifjes", auf englisch in den Straits-Settlements "pigeon-Orchid").

Es handelt sich um eine kleine epiphytische Orchidee, welche vielfach im Westen des malayischen Archipels auf den Baumzweigen sich an-
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gesiedelt hat, und welche zu bestimmten Zeiten kleine weiße Blüten hervorbringt, welche nur ein kurzes Bestehen haben; morgens früh blühen sie auf, am folgenden Tage sind sie schon abgewelkt. Das Merkwürdige ist nun die Koinzidenz des Blühens vieler Pflanzen in derselben Gegend. In Buitenzorg z. B. findet man an einem bestimmten Morgen auf einmal alle Bäume wie weiß beschneit durch die Blüten des "Dendrobium crumenatum"; diese verbreiten außerdem ein feines Aroma, was sich in der ganzen Gegend bemerklich macht; am folgenden Tage ist die ganze Pracht verschwunden. Dann dauert es Wochen, bis auf einmal wieder eine ähnliche Blütenmenge hervorbricht, und diese Erscheinung wiederholt sich öfters in einem Jahre. Von den Beobachtungen hierüber, welche zusammen mit Herrn Dr. Rutgers in Buitenzorg ausgeführt wurden, mag folgende Übersicht gegeben werden 1).

Um eine nähere Einsicht in diese merkwürdige Erscheinung zu bekommen, war es erst einmal notwendig, genau zu beobachten, wo sich Blüten bildeten und an welchen Tagen dies geschah. Die Triebe dieser Orchidee sind an der Basis dünn, dann findet man einige verdickte Glieder, welche zusammen eine Stengelknolle bilden, und der obere Teil des Triebes ist wieder dünn; dort trifft man die grünen Blätter an, wovon der untere Teil den Stengel scheidenförmig umgibt, während die Scheiben senkrecht vom Stengel abstehen. Nach der Spitze des Stengels hin findet man endlich nur scheidenförmige Blätter, in deren Achseln die Blütenstände stehen. Die Achse dieser Blütenstände bleibt unentwickelt; infolgedessen stehen die Blüten gedrängt zusammen. 

Das sieht man aber nur selten, indem sich an dem Blütenstand gewöhnlich nur eine einzige Blüte zu gleicher Zeit öffnet; viel weniger findet man zwei Blüten, noch viel seltener mehrere an einem Blütenstande. Es fragte sich nun, ob bei jeder Blüteperiode dieselben Blütenstande ihre Blüten öffneten, oder ob irgendeine Regelmäßigkeit hierin aufzufinden war. Es stellte sich heraus, daß sich hierfür überhaupt keine Regel aufstellen ließ. Das eine Mal sieht man an demselben Blütenstand zwei- oder dreimal hintereinander sich Blüten öffnen, das andere Mal nicht. Das gilt nicht allein für die Triebe einer Pflanze, ja selbst für die ganzen Pflanzen. Es gibt
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 1) M. Treub, Quelques observations sur la végétation de l'ile de Java. Comptes-Rendus des Séances de la Société de Botanique de Belgique. T. XXVI. 2e Partie 1887 p. 182.
 J. Massart, Un botaniste en Malaisie. Bulletin de la Soc. Royale de Bot. de Belgique, T. XXXIV. 1895 1e partie p. 173. 174.
 F. A. F. C. Went, Die Periodizität des Blühens von Dendrobium crumenatum Lindl. Ann. du Jardin Bot. de Buitenzorg. Supplement II (1898) p. 73-77.
 A. A. L. Rutgers und F. A. F. C. Went, Periodische Erscheinungen bei den Blüten des Dendrobium crumenatum Lindl. Ann. du Jardin Bot. de Buitenzorg. 2e Série, Vol. XIV (1915), p. 129-160.