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außerordentlich anregend gemacht worden. Von den Prinzipien, welche seine Methodenlehre heraufgeführt hat, ist eines der wichtigsten und am häufigsten genannten das Prinzip der Ökonomie, welches Mach in der feierlichen Sitzung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaft zu Wien am 25. Mai 1882 in einem ebenso gehaltvollen als formvollendeten Vortrag proklamiert hat1). Seit dem Beginn seiner Lehrtätigkeit vertritt Mach die Ansicht, daß es bei der Wissenschaft hauptsächlich auf Bequemlichkeit und Ersparnis im Denken ankommt. Die Physik mit ihren Formeln, mit der Potentialfunktion, ist besonders geeignet, diese Ansicht klarzulegen. Das Trägheitsmoment, das Zentralellipsoid usw. sind nichts wie Surrogate, durch die man sich die Betrachtung der einzelnen Massenpunkte erspart. Besonders klar fand Mach diese Ansicht bei dem bekannten Nationalökonomen E. Herrmann, von welchem er den Ausdruck angenommen hat: "Die Wissenschaft hat eine ökonomische oder wirtschaftliche Aufgabe." Die Naturwissenschaft erkennt als ihr Ziel den sparsamsten, einfachsten begrifflichen Ausdruck der Tatsachen. Am meisen ausgebildet ist die Gedankenökonomie in der Mathematik. Die Mathematik beruht auf der Vermeidung aller unnötigen Gedanken, auf der größten Sparsamkeit der Denkoperationen. Wenn wir beim Multiplizieren einer mehrstelligen Zahl durch Benützung des Einmaleins die Resultate schon ausgeführter Zähloperationen verwenden, wenn wir beim Gebrauche von Logarithmentafeln neu auszuführende Zähloperationen durch längst ausgeführte ersetzen, wenn wir Determinanten gebrauchen, statt die Lösung eines Gleichungssystemes immer wieder von neuem zu beginnen, wenn wir neue Integralausdrücke in altbekannte zerlegen, so sehen wir hierin ein schwaches Abbild der geistigen Tätigkeit eines Lagrange, eines Cauchy, eines Gauss, die mit dem Scharfblick von Feldherren für neu auszuführende Operationen ganze Scharen schon ausgeführter eintreten lassen.
Ein weiteres Prinzip, das der Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und der Gedanken aneinander, wurde schon erwähnt. Die Anpassung der Gedanken an die Tatsachen erfolgt durch die Beobachtung, die Anpassung der Gedanken aneinander durch die Theorie. Die Ergebnisse dieser Prozesse finden ihren Ausdruck in Begriffen und Urteilen. Das Ideal der ökonomischen und organischen Zusammenpassung der einem Gebiete angehörigen Urteile ist erreicht, wenn es gelungen ist, die geringste Zahl einfacher und unabhängiger Urteile zu finden, aus welchen sich alle übrigen als logische Folgen ergeben, das heißt ableiten lassen. Ein Beispiel eines solchen geordneten Systemes von Urteilen ist die Euklidische Geometrie.
Ein weiteres, sehr fruchtbares Prinzip ist jenes der Variation, die Grundmethode des Experimentes: Was wir durch das Experiment erfahren wollen, ist die Abhängigkeit, bzw. Unabhängigkeit einer Erscheinung von einer Anzahl von Elementen. Könnte man jedes Element für sich allein variieren, so wäre die Untersuchung leicht. Allein die Elemente hängen meist gruppenweise zusammen, manche können nur miteinander variiert werden und jedes Element wird gewöhnlich von mehreren anderen, und zwar in verschiedener Weise beeinflußt. Mit der wachsenden Zahl der Elemente wächst aber die Zahl der Kombinationen, die durch den Versuch durchzuprobieren sind, so rasch, daß eine systematische Erledigung der Aufgabe unmöglich wird.
Erleichtert wird die Untersuchung, wenn man alles ausschaltet, was auf die Elemente, deren Abhängigkeit von anderen man prüfen will, keinen
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1) Populärwissenschaftliche Vorlesungen, 4. Auflage, Seite 217.