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Abhandlungen der naturwissenschaftlichen Gesellschaft ISIS in Dresden, 1916

Ernst Mach, dem naturwissenschaftlichen Denker,
zum Gedächtnis. *)

Von Geh. Hofrat Prof. Dr. G. Helm.

Die Absicht dieses Abends ist, uns in die Gedankenkreise des tiefen Denkers zu versenken, der, im Anfange dieses Jahres aus dem Leben geschieden, nachhaltig weiter wirken wird als einer der hervorragendsten Begründer einer grundsätzlich entschiedenen Philosophie der Erfahrung. Lassen Sie mich darlegen, was aus seinem Gedankenleben dauernd das naturwissenschaftliche Denken bereichern und klären wird.
Viele betonen heute ihren Erfahrungstandpunkt, auch ausserhalb der naturwissenschaftlich gerichteten Kreise, und sind doch weit entfernt, die strengen Folgen dieses Standpunktes anzuerkennen oder auch nur zu kennen.
Die geologischen Schichten der Erdrinde bilden ein bekanntes Erfahrungsergebnis. Welche Erfahrungen liegen aber dieser einfachen Übersicht zugrunde? Doch sicherlich die unzählig vielen Aufschlüsse und Schürfungen, die sich über die ganze bewohnte Erde und über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrhundert verteilen; und bei jeder einzelnen sind wieder zahlreiche Blicke nötig auf die geologische Gesamtlage wie auf die ihr entnommenen Gesteinstücke, deren Untersuchung die Berücksichtigung mannigfacher physikalischer und chemischer Tatsachen veranlasst; tausendfältige meteorologische und astronomische Erfahrungen müssen dazu treten, um das Bild zu entwickeln, das wir uns vom Aufbau der Erdrinde machen. Eine schier ungeheure Fülle von Einzeleindrücken, von Erfahrungselementen, ist zu umfassen - und jene Übersicht der Schichten bringt Ordnung in die Verwirrung der Einzelheiten. So erscheint jede auf Erfahrung gegründete Wahrheit wie ein Katalog zahlreicher Einzelerfahrungen. Nur diese sind uns von der Natur gegeben, die Inventarisierung tragen wir in die Naturbeobachtungen hinein, um diese leichter, übersichtlicher beherrschen zu können, und der Katalog wird umgeordnet, wenn es zweckmässig erscheint. So haben z.B. Meteorologie und Chemie in den letzten Jahrzehnten die Anordnung ihres Erfahrungsmaterials mehrfach gründlich abgeändert, um ihm neue Erfahrungen einzugliedern, während die Astronomie seit zwei Jahrhunderten eine ungeheure Menge neuer Beobachtungen ohne 
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*) Vortrag in der Hauptversammlung der naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis - Dresden am 25. Oktober 1916.