Viewing page 508 of 732

This transcription has been completed. Contact us with corrections.

52

die Beziehung zur Außenanregung wiedergeben. Jedenfalls ist diese Grundlage der Machschen Philosophie monistisch, nach ihr sind die Gegenüberstellungen des Idealismus und Realismus, des Sensualismus und Materialismus nicht in der Wurzel unserer Erfahrung begründet. Einen Monismus des Werdens hat Jerusalem die Machsche Weltanschauung genannt und die kennzeichnendste Eigenschaft der Eindruckselemente: sie sind Änderungen, nicht Zustände. Veränderung ist erste Bedingung jeder Erfahrung. Wer nur rot sieht, erfährt nicht, daß er rot sieht. So sind das wallende Feuer, die wogende Wolke, das Wellenspiel weit zutreffendere Bilder der Tatsachen, als irgend ein unveränderliches Sein. Nicht das Sein ist: Es ist ein Werden!
Sonderlich ist das eigene Ich eine unausgesetzt wechselnde Gesamtheit von Erfahrungselementen, keineswegs eine unveränderliche, unzerstörbare Einheit, wie man es zu denken gewöhnt ist, vielmehr ein Bündel von Elementen, die nur durch verhältnismäßig festere Beziehungen verknüpft sind, als die der Dinge außerhalb. Der egozentrische Standpunkt, das cogito, ergo sum, dem das Selbstbewußtsein als die unverbrüchlichste Tatsache feststeht, muß ebenso überwunden werden, wie einst der geozentrische durch Kopernikus überwunden worden ist. Nach einem geistreichen Worte Lichtenbergs sollte man nicht sagen: Ich denke, sondern: das Subjekt des Satzes dahingestellt sein lassen: Es denkt. 
Überall, wo wir, wie im Begriffe Ich, eine Substanz zu denken gewöhnt sind, ist das nur ein Mittel, die Erfahrungen zu ordnen. Raum, Zeit, Ursache und Wirkung, jeder Körper der Außenwelt, wie diese selbst, sind Zusammenfassungen gewisser Beziehungen, nach deren Abstreifen kein Kern, kein Absolutes, kein Ding an sich, übrig bleibt. Man überlege sich einmal, warum wir gewohnheitsmäßig als Ort eines Körpers den Raumteil bezeichnen, wo wir ihn durch den Tastsinn feststellen, warum nicht jeden Raumteil, wo wir ihn sehen, oder gar jeden, wo er wirkt, wie das etwa dem Standpunkte der Potentialtheorie entspräche. Sicherlich stammt alles als absolut Gedachte nicht aus der Erfahrung, Relativismus wäre daher bezeichnender für Machs Standpunkt als der Begriff Positivismus, dem er gewöhnlich untergeordnet wird. Dem Kampf gegen alles Absolute ist auch Machs Abneigung gegen den Atomismus entsprungen. Der atomistische Aufbau hat sich als eine nützliche Zurüstung unseres Denkens erwiesen, um Erfahrungen bequem zu beschreiben, aber gerade er hat wiederholt als mehr wie diese Erfahrungen zu gelten beansprucht, mit den Atomen wird gewohnheitsmäßig "erklärt". Ebenso verdächtig wie der Atomismus schien Mach auch jeder Versuch, die Energie als Substanz zu behandeln, als über der Erfahrungswelt stehendes Wesen, wie es die alte Kraft war. Wie diese muß auch das gewohnheitsmäßige Atom totgeschlagen werden und jeder Begriff, sofern er absolut, sofern er Substanz, sofern er mehr sein will als ein Inbegriff erfahrungsmäßiger Beziehungen. Nur die Beziehung ist Gegenstand der Erfahrung, nicht das Bezogene, nur das Werden, nicht das Sein. Der mathematische Funktionsbegriff ist das klassische Muster dieser Anschauungsweise, er hält die Beziehung zwischen Zahlen fest, während ihm die Zahlen gleichgültig sind und gewechselt werden können. -

So löst sich der schneidende Widerspruch zwischen der Machschen Auffassung und der Gewohnheitsphilosophie durch die Einsicht, daß unser