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58  A. HÖFLER, NACHRUF FÜR ERNST MACH. 
Zeitschrift für den physikalischen 
Neunundzwanziger Jahrgang.
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der öffentlichen Diskussion eine solche Gesittung bewiesen hätte, niemals hielt er sich an oder gegen die Person, stets nur an die Sache, und in seinen Schriften war er in Anerkennung der Leistungen anderer von der höchsten Redlichkeit und Bereitwilligkeit."
Aus dem menschlich und gedanklich überreichen Leben des weisen, gütigen Mannes darf diese unsere Unterrichtszeitschrift nur einen scheinbar ganz kleinen Teil herausgeben: nicht MACH als Physiker, als der er 30 Jahre lang an der Universität Prag gewirkt, bis zur Übernahme der philosophischen Lehrkanzel in Wien 1895, - nicht MACH als Philosoph, dem jener Aufsatz in dieser Zeitschrift 1910 gegolten hat - sondern MACH als Didaktiker ist an dieser Stelle noch einmal unseren, namentlich den jüngeren Lesern nahe zu bringen: nicht als ein Gewesener, sondern als einer, dessen Saat im physikalischen und mit ihm in allem Wirklichkeitsunterricht immer erst noch Wurzel zu schlagen und den ganzen Geist dieses Unterrichtes zu befruchten berufen ist. Die Ernte dieses Weiterpflegens von Machs Lebenswerk ist noch nicht heimgebracht - an seinem Grabe pflanzen wir die Hoffnung auf, daß erst künftig seine Saat ganz aufblühen und fruchten werde.
Das dieser Teil von MACHS Denken und Wollen aber auch innerhalb seines eigenen Lebenswerkes kein kleiner, unbeträchtlicher, vielmehr ein für MACHS ganzes Wesen sehr charakteristischer gewesen ist, werden die nachfolgenden Darlegungen zu zeigen und dabei Einiges weiterzuführen suchen, was ich in dem eingangs angeführten Aufsatz über MACH als Philosophen damals in größerem Zusammenhang nur angedeutet hatte. Diese Einschätzung des Gewichtes, das wir dem didaktischen Denken und Wirken Machs beilegen, kann diese unsere Zeitschrift durchaus objektiv am unmittelbarsten belegen, indem wir hier aus dem allerersten Aufsatz, der unseren ersten Jahrgang (1887) eröffnet hat, die allgemeine Einleitung wieder abdrucken:
"Über den Unterricht in der Wärmelehre. Von Prof. Dr. Ernst Mach in Prag.
"Ohne Zweifel hat in den letzten Dezennien die didaktische Methode bedeutende Fortschritte gemacht. Betrachten wir aber als Hauptzweck des naturwissenschaftlichen Elementarunterrichts nicht sowohl die Erwerbung einer Summe positiver Kenntnisse, als vielmehr eine gewisse Erziehung im Beobachten und besonders im naturwissenschaftlichen Denken, die Gewöhnung an ein feineres logisches Verfahren, so finden wir an vielen der gangbaren elementaren Darstellungen der Wärmelehre bei aller ihrer Vortrefflichkeit mancherlei auszusetzen.
Wenn z.B. gleich zu Anfang die "Wärme" als "Ursache der Wärmeerscheinungen" eingeführt wird, wenn alsbald vom "Wesen der Wärme" die Rede ist, so müssen wir uns fragen, welchen Vorteil es gewähren kann, zu den klaren Tatsachen sofort ein unbekanntes müßiges Etwas hinzuzufügen und dasselbe mit einem Namen zu belegen? Was sollen wir denken, wenn wir gelegentlich hören, daß die Gase sich "proportional der (hypostasierten) Temperatur ausdehnen", nachdem wir zuvor die Temperaturzahlen willkürlich den Volumenzuwüchsen der Gase zugeordnet haben? Mit welchem Gewissen stellen wir dem Schüler die "Wärmeeinheit" vor als die "Wärmemenge, welche nötig ist, ein Kilo Wasser um 1°C zu erwärmen", wobei der neue Begriff nicht erläutert, sondern als selbstverständlich und schon vorhanden eingeführt wird? Oder wird der Unterricht vielleicht zweckmäßiger, wenn wie es zuweilen geschieht, zur Vermeidung der bezeichneten Verschwommenheiten gar mit 1/2 mv² begonnen wird?
Wir dürfen uns dieser Dinge wegen keine zu starken Vorwürfe machen. Es sind natürliche Überreste der scholastischen Methode unserer Vorfahren, deren Verstand bei aller seiner Schärfe immer nur vom Dogma ausging und wieder zum Dogma zurückkehrte. Diese Dinge werden alsbald verschwinden, wenn wir sie mit schärfster Aufmerksamkeit betrachten.
Wie ich glaube, hat man sich schon beim Elementarunterricht gegenwärtig zu halten, daß das Objekt der Naturwissenschaft die Tatsachen sind, der Begriff hingegen das Mittel, um die Tatsachen in Gedanken darzustellen. Zur Tatsache führen die Beobachtung und das Experiment, deren Wert für den Unterricht nicht hoch genug angeschlagen werden