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und chemischen Unterricht.
Heft II. März 1916.
A. HÖFLER, NACHRUF FÜR ERNST MACH.       59
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kann. Der physikalische Begriff, mit welchem wir uns hier einen Augenblick beschäftigen wollen, entsteht unter dem Eindruck gewisser Tatsachen oft instinktiv. Der Begriff wird also im Unterricht am zweckmäßigsten unter dem Eindruck derselben Tatsachen historisch entwickelt. Nur werden wir, weil wir nach einem bewußten Besitz streben, uns klar machen, warum und zu welchem besonderen Zweck der Begriff entstanden ist, wodurch wir die Freiheit erlangen, den Begriff unter veränderten Umständen wieder umzuformen oder durch einen neuen zu ersetzen. Es sei fern von mir, didaktisch erfahrenen und erprobten Männern hier im einzelnen darlegen zu wollen, wie sie den Unterricht anzulegen haben. Ich möchte aber an einfachen Beispielen, an den Begriffen, Temperatur und Wärmemenge, erläutern, welche Gedanken man sich nach meiner Meinung gegenwärtig halten muß, um in der Schule mit dem Richtigen und wahrhaft Nützlichen nicht auch Unrichtiges und Überflüssiges zu bieten, welches ja weniger sebständigen Köpfen zu ihrem Schaden oft lebenslänglich hängen bleibt.
Die tastende Hand empfindet die umgebenden Körper kalt, kühl, lau, warm und heiß. Wir nennen diese Reihe der Empfindungen: Wärmemempfindungen. Körper, die uns besondere Wärmeempfindungen erregen, zeigen auch ein bestimmtes Verhalten gegen andere Körper. Ein heißer Körper sinkt schmelzend in Wachs ein, bringt einen Wassertropfen zischend zur Verdampfung, oder wird leuchtend (glühend). An einem sehr kalten Körper erstarrt ein Wassertropfen zu Eis. Ein warmer Körper erwärmt bei Berührung einen kalten usw.
Den Inbegriff jedes physikalischen Verhaltens eines Körpers, welches wir zunächst an die besondere Wärmeempfindung geknüpft erkennen, die er uns erregt, nennen wir seinen Wärmezustand.
Dasselbe (laue) Wasser kann der rechten Hand, welche eben in heißes Wasser tauchte, kalt und der linken Hand, die sich zuvor in kaltem Wasser befand, warm erscheinen. Es wäre natürlich ganz verkehrt zu sagen: Der Körper, welcher uns warm erscheint, ist eigentlich kalt, oder umgekehrt. So lange es sich nur um die Wärmeempfindung handelt, hat lediglich der Wärmesinn zu entscheiden. Kommt es uns aber auf das physikalische Verhalten eines Körpers an, auf seine Beziehung zu anderen Körpern, so ist die Wärmeempfindung deshalb ein unzuverlässiges Merkmal dieses Verhaltens, weil dieselbe nicht nur von dem Körper, sondern auch von den schwer kontrollierbaren Zuständen des Empfindungsorgans abhängt. Es ist deshalb zweckmäßig, sich nach einem einfacheren zuverlässigeren Merkmal oder Zeichen des Wärmezustandes umzusehen, bei welchem der Einfluß zufälliger oder fremdartiger Umstände leichter auszuschließen ist. 
Als ein sehr brauchbares Zeichen des Wärmezustandes eines Körpers erkannte Galilei das Volum desselben. Das Volum des Körpers wächst im allgemeinen, wenn er uns wärmer erscheint. Zwar ändert sich mit dem Wärmezustand eines Körpers auch dessen galvanischer Leitungswiderstand, dessen Stellung in der thermo-elektrischen Spannungsreihe, dessen Brechungsexponent usw., doch ist bisher keines dieser Merkmale in so einfacher Weise zu beobachten, bei keinem ist der Einfluß fremdartiger oder zufälliger Umstände so leicht auszuschließen, wie bei dem Volum.
Die Beobachtung lehrt, daß ein wärmerer Körper bei Berührung den kälteren erwärmt und sich selbst so weit abkühlt, daß beide sich gleich warm anfühlen. Sich berührende Körper nehmen also gleiche Wärmezustände an. Hierdurch wird es möglich, das Volum eines bestimmten Körpers, des Thermoskopes, welches man nacheinander mit verschiedenen Körpern in Berührung bringt, als Merkmal des Wärmezustandes dieser Körper zu benutzen (Galilei)."
Ist es auch nur ein äußerlicher Umstand, daß diese Leitgedanken in dieser unserer Zeitschrift schon 1887, und daß erst 1896 das große Werk "Die Prinzipien der Wärmelehre" veröffentlicht wurden, so verbreitet sich doch aus dem kleinen Punkt einer bloßen Didaktik der Wärmelehre helles Licht auch auf Machs erkenntniskritische Absichten seiner großen, halb physikalischen, halb philosophischen und ganz historischen Wärmelehre - welchen dreifachen Charakter sie teilt mit seiner "Mechanik" (1883 in erster, seither in sieben Auflagen erschienen.) Bekanntlich erschloß diese Geschichte der Wärmelehre - im Unterschied zu der auch vorher schon von DÜHRING verdienstvoll bearbeiteten Geschichte der Mechanik - ein von MACH noch

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