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          Neunter Abschnitt.

       Von der Miniaturmalerei.

I.
Von dem Kolorit der Miniaturgemälde.

Der Unterschied zwischen Farbe und Farbengebung, oder Kolorit, ist heut zu Tage allgemein bekannt.  Es ist von einer solchen Wichtigkeit, dass man es mit Recht, die Seele der Gemälde nennen kann.  Das Kolorit lässt sich keinen Regeln unterwerfen, weil jeder Maler seine eigene Art zu koloriren hat; doch aber muss man hier die Warnung geben, nicht alle Karnazionen, d. i. alles Fleisch, auf gleiche Art zu behandeln; denn in der Natur führet jeder Gegenstand seine eigene Farbe.  Bemühet man sich die Karnazionen nach Verschiedenheit seines Models abwechseln zu lassen, so vermeidet man zugleich die Wiederholung des Kolorits in dem Ganzen.  Monotonie der Farben ist nicht nur beleidigend für das Auge, sondern benimmt auch den Nebenwerken alles Anziehende; statt die Aufmerksamkeit zu reizen, erregen sie Ueberdruss.

Zu einer Fertigkeit gut zu koloriren gelanget der Künstler übrigens blos durch langes Studium der Lokalfarben.  Er muss ihre Kraft und die Wirkung kennen lernen, die aus ihrer Mischung entspringt.  Die Folge dieses Studiums ist nothwendig Kühnheit und Harmonie, besonders aber eine gewisse Frische, die vorzüglich in Miniaturgemälden sichtbar seyn muss.

Wenn der junge Künstler sich zu seinem Studium Portraits oder Köpfe nach Gefallen wählen kann, so suche er immer nach den malerischen Wirkungen: die Köpfe müssen aus zwei Massen bestehen, einer hellen und einer dunkeln.  Die hellere Masse ist immer reicher und mannichfaltiger an Nüancen, besonders wenn die Luft rein ist.  Man ahme vorzüglich bei Blondinen die verschiedenen Farben nach, die im Lichte auf der Perlmutter spie-

Transcription Notes:
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