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Von der Miniatur-Malerei.         19

geht, vorsichtig bedeckt werden.  Die Pallette lasse man nicht in der Sonne, oder im Staube liegen.  In seinen Pinseln lasse man nie die Farbe trocknen; denn sie werden dadurch hart und unbrauchbar.  Geht man von seiner Arbeit, so wasche man sie aus, und gebe ihnen durch einen Druck zwischen den Lippen ihre gehörige Spitze.  So geringfügig diese Bemerkungen scheinen, so guten Nutzen gewähren sie doch.  Sie verhelfen zu einer Fertigkeit frisch zu arbeiten, und bekanntlich siehet sich jedermann gerne frisch gemalt.  Die Damen finden ihre Rechnung dabei, und foiglich auf der andern Seite auch die Maler.

VI.

Von dem Verwaschen in der Miniatur-Malerei.

Will man an seiner Arbeit etwas ändern, wenn man bereits weit damit gekommen ist, so benetzt man seinen Pinsel, drückt ihn mit den Lippen, um ihn des überflüssigen Wassers zu entladen, und überfährt damit den Theil, den man an Farbe schwächen oder verlöschen will; man lässt ihm Zeit anzuziehen, punktirt denn mit dem Pinsel, in welchem weder Farbe noch Wasser bleiben darf, nach und nach die aufgeweichte Farbe weg, und trocknet ihn jedesmal auf einem Blatte weissen Papiers.  Ist man bis auf den elfenbeinenen Grund gelangt, so legt man wieder den weggewaschenen Theil nach Maassgabe der übrigen Arbeit an.

Man kann auch fehlerhafte Stellen mit einem kleinen Stricke os sepiae verlöschen, welches als ein Stift zugeschnitten wird.  Je kleiner der zu verreibende Theil ist, je feiner muss dieser Stift seyn.  Eben dieses os sepiae wird gebraucht, dem Elfenbein das Fett, oder den Schmutz zu benehmen, der unter der Arbeit sich hier oder dort angesetzt hat.

VII.

Vom Gliedermanne.

Man verlasse sich nie auf die Bewegungen, welche der Gliedermann angiebt, bis man sie sorgfältig mit seiner korrekt entworfenen Zeichnung nach der Natur verglichen hat.  Geschieht dieses nicht, so wird, bei allem angewandten Fleisse, der Figur immer etwas von der steifen und unnatürlichen Stellung der Maschine ankleben.  Die Natur hat in ihren Formen, ihren Stellungen, ihren Umrissen, etwas Rundes und Markichtes, das man vergeblich in dem Gliedermanne sucht.  Seine Bewegungen sind todt; Die Natur hingegen hat in ihrer tiefsten Ruhe etwas Belebtes, und flösst dem Künstler ein Feuer ein, welches auch über seine Werke Leben verbreitet.  Streng genommen, ist der Glie-

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