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Von der Miniatur-Malerei.          23

scheinen, und mildere besonders bei dem weiblichen Bilde die Formen.  Bei beiden sey das Kolorit frisch; Verlangen glänze in ihren Augen; man erblicke in ihnen schon den Vorgenuß der Seligkeit, von ihrer Imaginazion.  So lange sie sitzen, unterhalte man jedes insbesondere von seiner glücklichen Wahl.  Die Leidenschaften der Menschen wollen selbst in dem Augenblicke noch gereizt seyn, wo sie am heftigsten scheinen.  Beschäftigt man sie lebhaft mit dem Gegenstande, von welchem sie voll sind, so erhascht man leicht ihre eigenthümlichen Züge, und giebt ihrem Bilde Farbe und Leben.

Hat man ein ältliches Frauenzimmer zu malen, so male man sie nach der Regel, seine Arbeit immer etwas zu verschönern.  Uebrigens wird sich aus ihrer Unterhaltung leicht erforschen lassen, zu welchem Gebrauche sie ihr Bild bestimmt.

Man suche sich, ganz ausschlüßlich nach ihrem Geschmacke zu richten.  Hat eine vollkommene Aehnlichkeit nicht viel Schmeichlendes für sie; so male man sie aus dem Gedächtnisse, wie sie ehedem war, und bilde ihren Kopf überhaupt ganz so, wie sie ihn wünscht.  Man beobachte genau die Farbe ihrer Augen, und ihrer Form überhaupt; ihre Züge und Haare bessere man so viel nöthig ist.


Handelt der Künstler nicht nach diesen Grundsätzen; so mißlingt ihm seine Arbeit, und bleibt ihm liegen.  Zum Nachtheil seiner Ehre kann ihm vielleicht noch etwas Schlimmeres begegnen, wenn er sich mehr als Künstler, denn als Politiker zeigt.

X.

Von dem Helldunkel.

Die Vertheilung der Gegenstände, der Farben und der Nebenwerke haben unstreitig Einfluß auf die Wirkung, die das Helldunkel im Ganzen hervorbringt.

In Vertheilung der Gegenstände erhält man diese Wirkung durch Massen, welche durch geschickte Anordnung die Lokalfarben mit den Schatten vereinigen.  Durch die Vertheilung der Farben werden diese Massen besser hervorgehoben: sie erhalten grössern Glanz, und das gerade einfallende Licht macht die Schatten stärker.  Die Nebendinge endlich vervielfältigen dieselben durch die Kontraste, welche aus hinzukommenden Lichtern und Schatten entstehen, die, ohne die Gränzen der Wahrscheinlichkeit zu überschreiten, ein Gemälde malerisch machen.

Das Helldunkel drängt alles zurück, was in dem Gemälde bloßes Nebenwerk ist; es hebt das Hauptbild hervor, verhindert die zu vielen Winkel, giebt dem Auge eine feste Richtung, und verschafft ihm den ausschlüßlichen Genuß des Gegenstandes.

Die Abstuffung der Lichter und Schatten muß mit Ueberlegung geschehen: Sie müssen zusammentreffen, ohne sich zu berühren.  Die Wendeseite des Kopfes darf nie stark schattirt noch kolorirt werden.

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