Viewing page 301 of 620

This transcription has been completed. Contact us with corrections.

Von der Miniatur-Malerei.         25

Ungerechtigkeiten dringen bis in das Innerste, beunruhigen und bringen bisweilen aus aller Fassung; der Künstler geräth in Versuchung, Pinsel und Pallete weit von sich zu werfen.  In solchen Fällen fasse man festen Muth, und ist man von der Güte seiner Arbeit überzeugt, so lache man über dergleichen Auftritte; denn sie sind Stuffen zum Ruhme des Künstlers.

Arbeitet man zu lange in einem Sitze, so wird das Auge geblendet.  Nie muss man zu anhaltend über einer Arbeit brüten, die Grazie und leichte Ausführung erfordert.

XII.

Besondere Anmerkungen.

Malt man ein Portrait, so betrachte man sein Modell auch im Profil, um die Abstuffung der Formen richtiger zu beurtheilen.  Man ahme hierinn den Bildhauern nach.  Wenn diese einen Kopf modelliren, so umgehen sie das Modell von allen Seiten, um das Verhältniß der Theile und der Züge durch ihre wechselseitige Vergleichung desto besser kennen zu lernen.  Dieses Studium ist auch zur Kenntniß der Abstuffung des Lichtes sehr dienlich.  Man bemühe sich, die Lichter und Schatten so geschickt zu vertheilen, daß man sich getraue, einen vorwärts, oder halbseitwärts sehenden Kopf nach dem Gemälde im Profil zu zeichnen.

Ist man mit seiner Arbeit schon so weit gekommen, daß man sie nach ihrer Wirkung beurtheilen kann; so halte man sie in einer seinem Gesichte angemessenen Entfernung von sich weg.  Man nehme den Spiegel zu Hülfe, und stelle sein Gemälde senkrecht.  Dann wird sich bald zeigen, ob sich das Bild aus dem Grunde gut hervorgebracht, und ob nicht etwa Nebendinge die Wirkung des Hauptgegenstandes, der immer die Figur seyn muß, stören.  In diesem Falle müßten durch das Laffiren die zu hellen Farben gebrochen werden.

Man bearbeitet die Miniatur-Gemälde, wenn sie schon weit genug gediehen sind, auch umgekehrt von der andern Seite, wider dem Lichte.  Aus dieser Probe ergiebt sich, ob Ungleichheiten in den Tinten sind; ob sie sich nicht hinlänglich verlieren, oder sich nicht gut miteinander vereinigen.  In diesem Falle überpunktirt man die kleinen Nuancen, die nicht genug Haltung oder Harmonie haben, mit schwachen Tinten, wodurch man endlich vollkommene Einheit erhält.

XIII.

Wie man seine eigene Arbeit zu beurtheilen habe.

Um Morgen läßt sich die Arbeit des vorigen Tages am besten beurtheilen.  Beim Erwachen sind die Lebensgeister ruhiger und weniger zerstreut; die Einbildungskraft ist gesunder, richtiger, tüchtiger zu einem unpartheischen und gut durchdachten Urtheile.  Der

II. Band.           D              Künst-