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26            Erster Abschnitt.

Künstler vergesse, wo möglich, ganz, daß die zu prüfende Arbeit, das Werk seiner eigenen Hände ist, und decke sie mit dem festen Vorsatze auf, sie so strenge zu untersuchen, als wäre sie von einem andern.  Er beurtheile sie genau, so wie er die Arbeit eines Freundes oder Kunstverwandten beurtheilen würde; und sey muthig sein eigener Richter.  Diese Arbeit ist gewiß nicht verloren; der edle Wetteifer, der so sehr die Ausbildung der Talente befördert, wird die Folge davon seyn.

Er mache seine Bemerkungen, er bessere, er verarbeite; noch nicht genug, er fange seine Arbeit von neuem an, wenn blos unter der Bedingung etwas Gutes erhalten werden kann.

Ueber die Wirkung der Harmonie läßt sich am besten urtheilen, wenn der Tag anfängt, sich zu neigen.  Man wundere sich nicht, wenn sich das Kolorit röthlicher zeigt; man sieht den bloßen Widerschein des Sonnenlichtes.

Man begnüge sich nicht mit seinen eigenen Urtheile; es ist rathsam, auch mit den Augen anderer zu sehen, besonders, wenn sich vermuthen läßt, daß sie mehr wissen, als wir.  Man benutze ihre Bemerkungen, in so ferne sie der Natur und den Regeln der Kunst gemäß sind.

Diesen Rath haben wohl die Modemaler, diejenigen nämlich, die Gunst oder Vorurtheile in Ansehen brachten, nicht nöthig.

Dieser Eifer, diese unterziehende Arbeit ziemt nur einem ganz kleinen Häufchen Miniatur-Künstler, die nicht so bekannt sind, nicht so großen Zulauf haben, wie jene.

In keiner Gattung der Malerei bringt sich der mittelmäßige Kopf besser fort, als in der Miniatur; und doch ist sie die mühevollste und schwerste für Künstler, die sich auszuzeichnen suchen.  Nichts ist gewöhnlicher, als Miniatur-Maler, aber auch nichts seltener, als wahre Künstler unter ihnen.

Warum findet wohl das Niedliche, das Angenehme, das Platte, das Schmutzige so oft seine Käufer?  Wir möchten doch wissen, ob ein Gemälde, weil es kleiner ist, als ein anderes, deßwegen einen Mangel an Talenten verrathen darf?

XIV.

Noch einige Erinnerungen an den Künstler.

Der Künstler male nie Gemälde von eigener Erfindung, bevor er sich nicht ganz vertraut mit der Natur gemacht hat.  Er stelle diese Natur so treu vor, als es aus dem Gedächtniße möglich ist; man bilde sie aber nicht immer sklavisch ab, sondern hüte sich vor kalter und ängstlicher Nachahmungssucht.  Man treffe eine gute Wahl, die auch in dem Gemälde sichtbar bleiben muß; man wende Fleiß auf seine Arbeit, behandle sie aber mit so großer Leichtigkeit und gutem Geschmacke, daß niemand die Mühe ahnde, welche sie kostete. 

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