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32            Zweiter Abschnitt.

Anlage.  Die Darstellung der wesentlichen Theile eines Werkes, wodurch es im Ganzen bestimmt wird.  Jedes grössere Werk der Kunst erfordert eine dreifache Arbeit.  Die Anlage, von welcher hier die Rede ist, die Ausführung und die Ausarbeitung.  In der Anlage wird der Plan des Werks mit den Haupttheilen desselben bestimmt; die Ausführung giebt jedem Hauttheile seine Gestalt, und die Ausarbeitung bearbeitet die kleineren Verbindungen, und füget die kleinsten Theile völlig, jeden in seinem richtigen Verhältnisse und bester Form zusammen.

Anlegen, heisst die ersten Farben eines Gemäldes auftragen, welche hernach bei der Ausarbeitung, wieder von andern Farben bedeckt werden.  Das gute, und insonderheit das kräftige Kolorit kann bei Gemälden die man in der Nähe sehen soll, nicht wohl durch eine einzige Auftragung der Farben erreicht werden; denn diese Farben müssen in einander verfliessen, und können folglich nicht allenthalben von gleicher Stärke seyn.  Auch andere Umstände erfordern oft, dass eine Farbe über eine andere gedeckt werde, so, dass die untere etwas durchscheine.  In diesem Falle muss das ganze Stück mehr als einmal übermalt werden.  Die erste Auftragung der Farben wird das Anlegen gennant.

Anmuthigkeit, bedeutet die Eigenschaft eines Gegenstandes, wodurch er im Ganzen betrachtet, das Gemüth mit einem sanften und stillen Vergnügen rührt.  Die Anmuthigkeit scheint aus solchen Schönheiten zu entstehen, die mach nicht besonders unterscheidet; weil keine sich besonders ausnimmt; sie verschliessen sich alle zusammen in ein harmonisches Ganzes.  Man nennt desswegen das Kolorit anmuthig, wo weder sehr starke Lichter, noch starke Schatten sind, sondern wo viel helle und angenehme Farben in einer sanften Harmonie stehen.  Unter den Malern hat Correggio die höchste Anmuthigkeit erreicht, und ist darinn für den ersten Meister zu halten; so wie Raphael im Ausdrucke.

Anordnung.  Anordnen, heisst jedem Dinge seinem Ort anweisen, und daher verstehet man, dass in einem Werke der Kunst Anordnung sey.  In Gemälden muss die dichterische Anordnung von der malerischen unterschieden werden; jede hat ihre besondere Beschaffenheit.  Durch jene verstehen wir die Ordnung, in welcher uns die Personen und die Handlung vors Gesichte gelegt werden; durch diese aber die Ordnung in den Massen des Hellen und Dunkeln, des Lichts und Schattens in Absicht auf die Haltung und Harmonie.  Man weis, dass zu jeder besondere Talente erfordert werden, und dass Gemälde in Absicht auf die eine Anordnung vollkommen seyn können, wenn sie wegen der andern sehr schwach sind.  Wir können den Paul Veronese zum Beispiel anführen, der die dichterische Anordnung in Gemälden, darinn die malerische Anordnung vollkommen ist, sehr schlecht beobachtet hat.  Seine Hochzeit zu Kana ist voll Fehler.

Ansehen.  Der Charakter der äusserlichen Form einer Sache.  Bei Personen ist das Ansehen das, was in der französichen Sprache Air gennant wird.