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38           Zweiter Abschnitt.

sie den, worauf sie angebracht sind, dem Auge näher zu bringen, oder davon zu entfernen scheinen.  Die Drucker mit hellen, lebhaften Farben bringen die Gegenstände, auf welchen sie angebracht werden, dem Auge näher; die mit dunkeln Farben drücken sie zurück, heben aber eben dadurch die leichten Theile, welche sie berühren.

Duschen heißt mit einer ganz dünnen oder flüßigen Wasserfarbe malen.

Eigenthümliche Farbe.  Mit diesem Worte wird das bezeichnet, was man sonst Lokalfarbe nennet, nämlich die natürliche Farbe eines Körpers, z. E. die rothe Farbe eines Kleides von Scharlach, in so ferne sie durch den Ort, wo der Körper steht, in ihrer Art eingeschränkt wird.  Dasselbe Stück Scharlach hat eine andere Farbe, wenn die Sonne sehr hell darauf scheint, als wenn das bloße Tageslicht darauf fällt; und auch in diesem wieder eine andere, wenn der Tag heller ist, als wenn er dunkel ist, anders wenn das hellere oder dunklere Tageslicht unmittelbar darauf fällt, oder es erst durch vielerlei Abprellungen trift.  Eben so groß wird die Mannichfaltigkeit der eigenthümlichen Farben des Körpers durch die verschiedenen Arten, sowohl des ursprünglichen als des zurückgeworfenen oder gemischten Lichtes.  Die Farbe nun eines jeden im Gemälde vorkommenden Körpers, in so fern sie durch alle diese Umstände eingeschränkt wird, ist das, was die Maler die Lokalfarbe, und wir die eigenthümliche Farbe desselben nennen.

Einfalt.  In Gegenständen des Geschmacks versteht man durch dieses Wort den Mangel oder die Abwesenheit der durch Kunst hereingebrachten Umstände.  Man schreibt einer Sache eine edle Einfalt zu, entweder, wenn die Wirkung, die sie thun soll, durch wenig Umstände erhalten wird, oder auch, wenn sie nur durch das Wesentliche, so in ihr ist, gefällt, und alle zufälligen Verschönerungen wegbleiben.  So schreibet man einer körperlichen Form oder Figur, eine edle Einfalt zu, wenn sie, wie die meisten Antiken, Vasen, oder Krüge, blos durch ihre Gestalt oder sanfte Umrisse angenehm in die Augen fallen, ohne daß sie durch ausgeschweifte Zierrathen, durch kühn geschlungene Handgriffe, oder daran gesetztes Schnitzwerk einen mehrern Grad von Mannigfaltigkeit haben. 

Einheit, Harmonie, Sympathie.  Diese Wörter drücken die Aehnlichkeit, die Analogie aus, die die Farben unter sich haben sollen.  Man spricht: Es herrscht eine schöne Einheit in den Tönen dieses Gemäldes.  Dieses Gemälde hat eine schöne Haltung, es ist sehr lieblich.  Einheit ist dasjenige, wodurch wir uns viele Dinge als Theile eines Dinges vorstellen.  Sie entsteht aus einer Verbindung der Theile, die uns hindert, einen Theil als etwas Ganzes anzusehen.  Viele auf einem Tische nebeneinander stehende Gefäße, die man blos zum Aufbehalten dahin gesetzt hat, haben keine Verbindung unter einander; man kann jedes für sich als etwas Ganzes betrachten.  Hingegen haben die verschiedenen Räder und andere Theile einer Uhr eine solche Verbindung unter einander,