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Von den malerischen Kunstwörtern.     53

schliessen, daß man die enkaustische Malerei der Griechen im dritten Verfahren entdeckt habe.  Unser drittes und viertes Mittel, enkaustisch zu malen, hat uns eine neue Manier zu malen an die Hand gegeben, die der Aufmerksamkeit würdig zu seyn scheint.  Hier ist mit zwei Worten das Mittel, wie man dabei verfahren muß:  Man male mit gewöhnlichen Wasserfarben auf roher Leinwand.  Doch müssen es nur solche Farben seyn, die gemeiniglich bei der Oelmalerei gebraucht werden.  Wenn die Farben trocken sind, so mache man das Gemälde auf der andern Seite mit Mohnöl, welches weniger als andere Oele gelb wird, feuchte.  Jedermann weis, wie leicht sich das Oel ausbreitet, und wie bequem man es überall mit gleichem Maaße vertheilen kann; es mag nun mit dem Pinsel, oder mit einer andern Sache, die dessen Stelle vertreten kann, geschehen.  Das Oel wird die Farbe durchdringen, sich gänzlich mit ihr vereinigen, und wenn es trocken ist, das Gemälde so dauerhaft machen, als wenn es mit geriebenen Oelfarben gemalt worden wäre.  Diese Art der Malerei kann den Vortheil haben, ein Gemälde ohne etwas Glänzendes zu verfertigen, weil der Glanz gemeiniglich durch nichts anders, als durch einen Ueberfluß des Oels bewirket wird.  Diese Gemälde sind auch der Veränderung weniger ausgesetzt, wegen des wichtigen Verhältnisses das zwischen dem Oele und den Farben statt findet.  Anstatt des Oels könnte man auch einen weissen, fetten, trocknenden Firniß von geschmolzenem oder aufgelößtem Wachse nehmen.  Man kann diese Malerei eben so gut auf dem Papier als auf Leinwand ausüben.  Uebrigens mögen die Künstler den Werth oder Unwerth dieser kleinen Neuigkeit beurtheilen. -- So weit der Graf Caylus.

Entfernung.  Der scheinbare Abstand eines Gegenstandes im Gemälde von denen, die auf dem vordersten Grunde desselben stehen.  In der Natur selbst ist diese Entfernung wirklich, im Gemälde aber ist alles gleich weit von dem Auge entfernet.  Dennoch aber muß nach Beschaffenheit der Vorstellungen eines weit und das andere nahe scheinen.  Die Kunst, das Auge zu betrügen, und einen Gegenstand weit von einem andern zurückweichen zu machen, ist ein wesentlicher Theil der Kunst zu zeichnen und zu malen.  Die Entfernung eines Gegenstandes, so weit nämlich das Auge davon urtheilt, wird in der Natur aus drei Umständen erkannt, aus der scheinbaren Verkleinerung, welche die Entfernung nothwendig mit sich bringt; aus der Undeutlichkeit der Umrisse, und aus der Schwäche des Lichts und Schattens.

Entwurf.  Ein Werk, das nur nach seinen Haupttheilen zusammengesetzt, in keinem einzelnen Stück aber ausgearbeitet worden, so daß darinn nichts, als die Vereinigung der Haupttheile im Ganzen zu sehen ist.  Dem Entwurf muß die Erfindung des Ganzen und der dazu gehörigen Haupttheile vorhergehen.  Er ist die erste sichtbare Darstellung des ganzen Werks, und wird zu dem Ende vorgenommen, daß man von der Vollkommenheit des Ganzen ein sicheres Urtheil fällen könne, ehe jeder einzelne Theil ausgearbei-

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