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Von der Farbengebung insbesondere.   79

Farbe haben, so, daß der Künstler sich genöthigt siehet, eine solche Natur des Lichtes zu erwählen, welches mit der Schwäche seiner Farbe übereinkömmt.  Ein solches Licht, welches sich am besten zur Beleuchtung unserer Farben schickt, ist 1) das Licht des freien Himmels, wenn dieser mit weißen, oder wenigstens nicht mit allzu dunklen Wolken überzogen ist; 2) ein solches Licht, wie man nach einem Regen gewahr wird, da die Sonne wieder helle durch die Wolken dringt. 3) Das Licht des Abends, wenn die Sonne das Feld gleichsam vergoldet, oder eines hellen Morgens, da die Farbe ganz mäßig ist.  Man versteht also eigentlich unter Farbe, die Helle, so wie sie an einem weißen Lichte betrachtet, in die Augen fällt.  Ueberhaupt erfordern Gemälde diesen Grad von Helligkeit, wenn alles deutlich soll gesehen werden; denn ein allzu helles und starkes Licht macht in Ansehung der dunkeln und schwarzen Farben allzustarke Veränderungen, und im Gegentheil thut dieses das dunkle Licht in Absicht auf die helleren Farben.  Das Weiße scheint nämlich grau, das Rothe zieht ins Braune, das Gelbgrüne ins Olivenfarbe, u. s. f. 

In den sogenannten Nachtstücken, deren Scene weder Sonne noch Tageslicht empfängt, sondern wo das Licht vom Monde, oder von Lampen oder Kerzen, oder vom Feuerheerde, oder von andern angezündeten Lichtern die Gegenstände unvollkommen beleuchtet, kann die ganz weiße Farbe nicht gebraucht werden.  In diesen Gemälden werden die Stellen, wo das Licht nicht unmittelbar hinfällt, durch keine merkliche Widerscheine erleuchtet: es sey denn, daß sie ganz nahe an dem Lichte liegen.

Alle Lokalfarben, deren eigenthümliche Stimmung von dem natürlichen Tageslicht, oder Sonnenschein herkömmt, verlieren sich in dem Nachtstücke, das alle Farben ändert.  Alles nimmt den Ton des künstlichen Lichts an, der bald röthlich, bald gelb, bald blau ist, nach Beschaffenheit der Materie, wodurch das brennnende Licht unterhalten wird.  Daraus folget, daß das Nachtstück dem Auge durch den so mannichfaltigen Reiz der Farben nie so schmeicheln wird, als ein anderes Stück; und in der That sind die meisten Nachtstücke so, daß ein nach Schönheit der Farben begieriges Auge wenig Gefallen daran findet. 

Der Schatten hat, wenn man solchen genau betrachtet, an sich keine besondere Farbe.  Er ist die Beraubung und der Abgang des Lichts.  Seine Wirkung gleicht einem Schleier, welcher die mit demselben bedeckten Töne dämpft.  Die Farbe des Schattens richtet sich dem ohngeachtet nach der Lokalfarbe; was im Lichte roth ist, muß im Schatten auch roth zu seyn scheinen, und was hingegen im Licht bleich ist, gelblich oder grünlich scheint, muß im Schatten auch so aussehen.  Die Schatten und Lichter also, wenn jene auch größtentheils dunkel sind, müssen allemal mit der natürlichen Farbe des Gegenstandes übereinstimmen, und dieselben keineswegs zweifelhaft und unkenntlich machen.  So 
soll