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Von der Farbengebung insbesondere.   81

Daß aber in dem Kolorit eines Gemäldes solche Charaktere statt haben, fällt auch dem unachtsamen Menschen in die Augen.  Der fürchterliche Himmel, der ein nahes Gewitter verkündiget, und der liebliche Frühlingsmorgen, beweisen dieses allzudeutlich.  Jener wirkt Ernst, und dieser Fröhlichkeit.  Die sanft in einander fließende Farbe einer Landschaft bei schönem duftigen Herbstwetter, kömmt mit dem Sanften und Gefälligen einer Gemüthsart; hingegen die helle und etwas harte Haltung derselbigen Landschaft im Sommer, mit dem runden und geraden Wesen eines Charakters ohne Zärtlichkeit überein. 

Es ist sehr schwer die Gattungen des Tones, oder die Tonarten des Kolorits zu beschreiben; ein fühlendes Auge, das gewohnt ist, ländliche Gegenden zu allen Jahrszeiten und in allen Arten des Wetters aufmerksam zu betrachten, kennt sie; aber noch weit schwerer ist es zu sagen, wie der Maler jeden erreiche.  Ohne Zweifel wird der Ton überhaupt durch den Charakter bestimmt, den die gebrochenen Farben von der Hauptsache, von welcher sie ihre Temperatur bekommen, annehmen.  In der Natur sehen wir offenbar, daß der Ton der Landschaft hauptsächlich von dem blauen Duft des Himmels entsteht, welcher sich mit den eigenthümlichen Farben der Körper, worauf er fällt, vermischt und bald von dem mißlichen und blassen Lichte, bald von dem rothen Lichte der Morgen- und Abendwolken, einige Abänderungen annimmt. 

Der Maler muß also den Ton in der Herrschaft, oder dem Einfluß einiger Hauptfarben, in die Mischung des ganzen Kolorits studiren.  Er muß eine Haupttinte annehmen, die sich über das ganze Gemälde verbreitet.  Zuweilen fällt sie in das Purpurfarbne, zuweilen ins Gelbe oder Braune, und bei einigen Gegenständen schickt sich die grünliche Farbe am besten.  Von dieser allgemeinen oder Haupttinte, sie mag nun von einer Farbe seyn, welche sie will, bekömmt ein jeglicher Theil eines Gemäldes im gewissen Maaße etwas, und diese Hauptfarbe muß sich unvermerkt zertheilen und vermischen.  In den Massen muß eine solche Uebereinstimmung herrschen, daß alle Schatten gleichsam nur einerlei zu seyn scheinen; oder daß alle Farben in den schattigen Massen sich so vereinigen müssen, daß sie fast nur wie einerlei Farbe aussehen, ob sie gleich im Lichte alle ganz von einander unterschieden sind. 

Ein jedes Gemälde muß einen Ton haben, der seinem Charakter angemessen ist.  Eine traurige Vorstellung erfordert einen Ton, der den Eindruck des Inhalts unterstüzt, und eine reizende Vorstellung macht auch die Lieblichkeit in dem Tone nothwendig.  Aus einem andern Ton wird das nächtliche von brennenden Lichtern beleuchtete Zimmer bearbeitet, als der Mondenschein.  Alles fällt beim ersten ins Gelblichröthliche, hingegen bei letzterm ins Blaulichweiße. 

II. Band.     L      Der