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88     Dritter Abschnitt. 

feinsten Kontrast; grüne Hosen, rothe Strümpfe, ein Unter- und gelbes Oberkleid gehören öfters unter die modigten Kontraste. 

Jedoch streitet keine Farbe mehr mit den übrigen Farben, als das Olivengrün, und alle die grünlichen Farben, welch mit demselben verwandt sind, ob sie gleich anjetzt die Modefarben ausmachen. 

Der Grundsatz, wornach man die Harmonie, und Disharmonie der Farben bestimmen muß, ist dieser: die höchste Harmonie befindet sich nur in dem Einfärbigen, das von einem einzigen Licht erleuchtet wird, und je näher die Empfindung des vielfarbigen jenem Einfarbigen kömmt, je vollkommener ist die Harmonie.  Diese Harmonie macht, daß eine ganze Masse, es sey helle oder dunkel, ob sie gleich aus unzähligen Farben und Tinten zusammengesetzt ist, in Absicht auf die Farben, als eine einzige unzertrennliche Masse ins Auge fällt, so, daß keine einzelne Stelle darinn besonders und für sich hervorsticht.  Wenn wir eine Person ganz roth und ganz grün gekleidet sehen, so fällt uns nicht ein, zu sagen, daß sie ein vielfarbiges Kleid anhabe, wenn sie gleich in einem Lichte steht, wovon einige Stellen ein helles und schönes Grün, andere ein dunkleres haben, und noch andere so völlig im Schatten sind, daß man die Farbe gar nicht mehr unterscheiden kann. 

Wir beurtheilen, dieser großen Verschiedenheit der Farben ungeachtet, daß die Person durchaus mit einem einfarbigen grünen Gewand bedeckt sey.  Dieses ist die höchste Harmonie der Farben.  Sie kann nur in den Gemälden erreicht werden, die aus einer Farbe gemalt sind, z. E. Grau in Grau, oder Roth in Roth, u. s. f.  Wo man also Gegenstände von vielerlei eigenthümlichen Lokalfarben malt, da hat zwar diese vollkommene Harmonie nicht statt; nichts destoweniger sieht man oft, daß solche Masse, der Mannichfaltigkeit der Lokalfarben ungeachtet, dem Auge nur als eine Masse von Farben in die Augen falle; weil keine dieser Farben für sich das Auge besonders rühret, ob man sie gleich, wenn man sie besonders betrachten will, genau von den übrigen unterscheidet. 

Diese Harmonie der Farben hängt von zwei Ursachen ab: von den Farben selbst, und vom Licht und Schatten.  An der guten Wahl der eigenthümlichen Farben, deren jede sich für die Stelle schicke, und daselbst den Grad der Wirkung oder der Rührung des Auges habe, der ihr zukömmt, ist das meiste gelegen.  In jenem Gemälde ist etwas das Wesentliche, wohin das Auge gezogen werden muß.