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Von der Farbenbebung insbesondere.     91

Purpurfarbe mit Himmelblau lassiret, so bekömmt man ein schöneres Violet, als durch die Mischung dieser Farbe selbst entsprungen wäre.  Dieses ist also der Grund, warum die Maler bisweilen lassiren.  Die untere Farbe muss stark und dringend, die obere, womit lassirt wird, schwach seyn, und nicht decken.  Daher man zum Lassiren nur solche Farben brauchen kann, die nicht körperlich genug sind, um für sich zu stehen.

Das Lassiren thut eine doppelte Wirkung.  Die eigenthümlichen Farben werden dadurch lebhafter und saftiger, daher es vorzüglich bei seidenen Gewändern, als Sammet, Taffet, wie auch bei Weintrauben, Kirschen, Beeren, polirten Metallen, u. s. w. einen vorzüglichen Gebrauch hat.

Es dient ferner die Glasur dazu, um ganzen Massen eine vollkommene Harmonie zu geben.  Man findet, dass einige Künstler, um dieses zu erreichen, ihre Hauptparthien schon so angelegt haben, dass sie dieselben ganze mit einer sehr dünnen Farbe überlassiren konnten.  Es ist allemal nothwendig, dass der Maler schon beim Anlegen auf das Lassiren denke, um kräftige und starke Farben unterzulegen.

Man kann weiter mit einerlei Farbe gleich auf einmal das rechte Kolorit treffen.  Die Vollkommenheit des Kolorits wird vielmehr stufenweise, das heisst, nach und nach und durch verschiedene Grade der Farben erhalten, und die Farben, welche am ersten aufgetragen werden, müssen durch andere so lange schöner, stärker und natürlicher gemacht werden, bis man seine Absicht erreicht hat.  Hieraus lassen sich folgende Regeln herleiten.  Zu jedem Körper, welchen man coloriren will, müssen vornämlich folgende Farben gemischt werden; 1) Farben zu dem Hauptschatten, 2) zu dem Halbschatten, 3) zu dem Lichte, 4) zu den Widerscheinen, 5) zu den stärksten Schatten oder Nachdruck.

Jedes Gemälde muss mehrentheils dreimal bearbeitet werden.  Die erste Arbeit heißt die Untermalung.  Man legt dadurch eigentlich den Grund zu dem Colorit, welches man nach und nach zur Vollkommenheit bringen will.  Die zweite Arbeit heißt die Auftragung der Farben, und mithin das Colorit vollkommen machen.  Die dritte und letzte Arbeit macht das ganze Gemälde fertig, wobei vornämlich das höchste Licht und der stärkste Schatten, nebst einigen Verbesserungen des Colorits, in Acht zu nehmen sind. 

Auf die Untermalung muß man den möglichsten Fleiß verwenden, weil diese den Grund zum Colorit ausmacht, welches nachher nur verschönert und ausgezieret wird.  Die Farben, womit man untermalet, müssen die Eigenschaft haben, daß sie jene, die bei der zweiten Arbeit aufgetragen werden, nicht verderben, sondern sie vielmehr erheben und schöner machen.  Daher muß der erste Grund zum Colorit allemal so beschaffen seyn, daß die Farben, die darauf getragen werden, angenehm wirken können, und ihre Schön-
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