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92    Dritter Abschnitt. 

heit nicht verlieren.  Damit aber dieses geschiehtet, darf die Untermalung oder die Grundlegung niemals so dunkel gemacht werden, als das Colorit nach der letzten Ausarbeitung seyn soll.  Alle weißen Farben müssen daher auf einen weißen Grund gemalet werden, wenn sie ihre Schönheit, die vornämlich im Lichte nöthig ist, nicht verlieren sollen.

Alle gebrochene und gemischte Farben sind so beschaffen, daß man in ihnen bald erkennen kann, welches die Grundfarbe ist, und welches diejenigen sind, worinn sie spielen.  Sie laufen entweder mehr oder weniger in das Weiße, in das Schwarze, in das Blaue, in das Rothe, in das Gelbe oder in das Grüne.  Man erforsche also dieses bei einer jeden vorkommenden melirten Farbe sehr genau, und alsdenn suche man auf seiner Palette oder in den Farbentafeln diejenigen Farben, durch deren Vermischung wahrscheinlicher Weise die Farbe des nachzuahmenden Gegenstandes hervorzubringen ist.  Man vergleiche alsdenn die Farbe des Objekts mit der gemischten Farbe auf der Palette und Farbentafel. 

Was die Manier oder Behandlung bei der Farbengebung betrift, daß heißt, die Art und Weise wie man die Farben aufträgt oder schattirt, so hängt diese allezeit von dem Charakter, dem Ort, der Größe und andern Eigenschaften des Gegenstandes ab, welche man malen will.  In der Regel muß man so gelinde, sanft und zärtlich malen, als es möglich ist, damit die Umrisse nicht scharf, sondern fast unbemerkt werden.  Jedoch ist diese Regel nicht überall anzubringen.  In einem Raume, der kleiner ist, als das Auge in der Nähe siehet, ist es nothwendig, daß ein feiner Pinsel alle Züge schmelze.  Allein wenn man das Gewölbe eines großen Pallastes zieren will, so ist eine kühnere Behandlung nothwendig; indem die Luft, welche dazwischen ist, die nicht allzufeinen Vermischungen sanfter macht.

Gelinde, glänzende und reinliche Sachen muß man nicht so malen, wie etwas grobes, rauhes und höckerichtes.  Eine gewisse Art vom Trotze des Pinsels schickt sich bei Gelegenheit sehr gut.  Sanfte Leidenschaften, und angenehme Gegenstände müssen zärtlich und reizend gemalt werden.  So wohl Sammet, Attlas und Leindwand, als Häute, Tuch und Rauchwerk, müssen eben so wohl mit andern Pinselstrichen gemalt werden, als Gold und Silber. 

VI.

Von der menschlichen Fleischfarbe und Bekleidung insbesondere.

Die Farbe des Nackenden am menschlichen Körper (Carnation, Carnaggione) macht einen Haupttheil der Portraitmalerei aus.  Die Fleischfarbe des Menschen entsteht
aus