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Von der Farbengebung insbesondere. 93

aus einer durchscheinenden Haut, die über unzählige Blutgefäße, die durchschimmern, gespannt ist.  Diese Haut ist an einigen Theilen des Körpers mehr oder weniger durchsichtig als an andern, wie auch an verschiedenen Personen verschieden.  Sie besteht aus zarten Fäden von Netzwerk, welches mit Säften von verschiedenen Farben angefüllt ist, der weiße Saft macht die recht schöne Gesichtsfarbe; der gelbe die bräunliche, der bräunlichgelbe die röthlichbraune, der grüngelbe die Oliven- der schwarze die Mohrenfarbe.  Diese verschiedentlich gefärbten Säfte, nebst den verschiedenen Maschen des Netzwerks und der Größe seiner Fäden in diesen oder jenen Theilen, verursachen die Mannichfaltigkeit der Gesichtsfarben. 

An manchen Leuten ist das Netzwerk über den ganzen Leib, und über das ganze Gesicht und überall so gleich gewebt, daß sie bei der größten Hitze oder Kälte kaum ihre Farbe verändern, und diese sieht man selten roth werden, wenn sie auch noch so schamhaft sind; da hingegen bei manchen jungen Weibspersonen das Gewebe so zart ist, daß sie bei der geringsten Gelegenheit roth oder blaß werden.  Wenn der Mensch stirbt, so hören diese kleinen Gefäße auf zu fließen, die frische Farbe verwelkt, und eine blaßgelbe, als die Farbe des Todes, nimmt den Platz ein.  Alle diese Veränderungen in der Fleischfarbe nachzuahmen, ist mit den größten Schwierigkeiten verbunden.  Die Farben aller andern Körper sind viel leichter zu treffen, so lebhaft und glänzend sie auch bei einigen sind; und es scheinet daher, daß die Natur den Menschen auch in diesem Stücke besonders ausgezeichnet habe.  Man wird die Schwierigkeiten dabei leicht einsehen, wenn man versucht, so wohl die Hauptfarben, als auch die vielen Mittelfarben, mit welchen die Natur den menschlichen Körper bemalt, anzugeben, und zu benennen. 

Was für ein feines Gesicht muß der Mensch haben, der nur etwas davon erkennen will?  wenn man auch alle andere Theile der Malerei vollkommen inne hat, so muß man diesen dennoch ganz besonders studiren, und zu dem Ende ein unablässiges und scharfes Studium der Natur, mit tausend nachahmenden Versuchen verbinden.  Daher kömmt es auch, daß man in diesem Theile der Kunst nur wenige vollkommene Meister nennen kann.  Ein Künstler hat hierinnen nicht nur die gemeinen Regeln der guten Farbengebung, Haltung und Harmonie zu beobachten, sondern er muß auch in vielen Fällen den Ton der Farbe und das besondere persönliche Colorit seines Urbildes zu treffen wissen.  Die Farben des Fleisches sind nicht nur von allen Farben die, die man am wenigsten allgemein bestimmen kann, sondern auch die, deren frisches und liebliches Wesen am zartesten ist.  Folglich muß ihre Behandlung höchst leicht und frei seyn.  Wer durch vieles Mischen, durch viel Verreiben, durch mancherlei Wendung des Pinsels sie zu erhalten sucht, findet sie gewiß nicht.  Wer am Nackenden malt, und noch ungewiß ist, wie er es erreichen soll, wird es nicht erreichen.

Durch