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94    Dritter Abschnitt.

Durch eine genaue Beobachtung der Natur und ein scharfes Nachdenken, muß man sich Regeln machen, ihnen mit Sicherheit folgen, und so lange man nicht den erwünschten Erfolg davon sieht, sie durch neue Beobachtungen zu verbessern suchen.  Man vermeide insbesondere das affectirte Wesen des allzuröthlichen Colorits, indem dieses mehr das Ansehen hat, als wäre die Haut ganz abgezogen, und läge das blutige Fleisch vor Augen, als daß es die zarte Haut vorstellen sollte.  Man verhüte dabei die verschiedenen glänzenden und glühenden Farben an den Erhebungen und Reflexionen, welches dem Glanze eines durchscheinenden Körpers gleichkömmt, welcher verschiedene nahe gelegene Farben von sich wirft.  Denn die Haut des Menschen, so zart sie immer seyn mag, behält dennoch allezeit eine matte Couleur.

Die gemeinen Fleichfarben werden von rothen und weißen Farben gemacht.  Durch solche Vermischungen können sie nach Beblieben schwächer oder stärker werden; doch müssen sie nicht allezeit einerlei seyn, denn die Tinten in der Natur sind vielfältig.  Das Geschlecht, das Alter, die Eigenschaften der Personen, ja verschiedene Theile einer einzigen Person, sind oft in ihrem Nackenden sehr verschieden.  Damit sie also richtig, eigen, gehörig und ähnlich erscheinen, so muß man das Rothe bei der Fleischfarbe am öftersten wiederholen, das Gelbe nach diesem am öftersten nächst diesem das Purpurroth, das Blau und Grün seltener, ausgenommen an besondern Theilen, als an den Schläfen, an den äußersten Seiten der Hände, und wo sich Adern zeigen u.s.w.  Zu der Fleichfarbe der alten Personen, gebraucht man sehr gut den gebrannten Ocher.  Man wähle sich daher selbst in den Farbentafeln einige Arten der Fleischfarben.

Die Farbe der Augen steht mehrentheils mit der Farbe der Haare in Verbindung.  Personen, die ein weißliches Flachshaar haben, haben graue, graublaue oder blaue Augen.  Weißgelbliches Haar, ist bei gelbbräunlichen Augen zugegen, und die schwarzen Augen vereinigen sich gemeiniglich auch mit den schwarzen Haaren.  So wie sich die Haare mit den Jahren dunkel färben, so färbt sich auch der Kreis in den Augen.  Das Haar ziert die weiße Farbe des Gesichts, und es nimmt sich daher das schwarze Haar am besten aus, weil es dem Auge leicht wird, die Züge des Gesichts und der Theile desselben schnell von einander zu unterscheiden.

Anmerkung.  Lairesse hat über die Fleischung, wie über verschiedene andre Zweige der Kunst, Regeln gegeben, die dem, dessen Genie sonst für diesen Theil der Kunst die gehörige Wendung hat, das Studium etwas erleichtern können.  Zu eben dieser Absicht wird es nicht undienlich seyn, wenn ich aus einem alten seltenen Buche über die Miniaturmalerei, dessen Verfasser mir unbekannt ist, einen Auszug liefere, welcher hier einen Platz verdient.  Er sagt, indem der Verfasser von der Portraitmalerei spricht:

"Hier-