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Von der Farbengebung insbesondere.  95

„Hierinn giebt es so vielerlei und verschiedene Coloriten, daß es schwer wäre, über so viele Sonderheiten allgemeine Regeln zu geben.  Man kehrt sich auch an keine Regel mehr, wenn man durch die Uebung einen Handgriff und Fertigkeit erlangt hat, ja diejenigen, welche soweit gekommen seyn, die sehen entweder blos darauf, ihr Original nachzumachen, oder arbeiten nach ihrer Idee und Einbildung, und wissen selber nicht wie.  Also sind die geschicktesten, die es ohne alles Nachdenken und mit geringer Mühe als andere machen, sich mehr bemühen müssen, die Ursachen und Manier anzuzeigen, wenn sie gefragt würden, was vor Farben sie zu diesem oder jenem gebraucht haben, als zum Malen selber.  Indessen weil Anfänger doch eine Anweisung haben müssen, so will ich überhaupt anzeigen, wie die Carnation auf verschiedene Art zu machen sey.

„Nachdem man seine Figur mit Carmin oder florentiner Lack umrissen, so braucht man zu Frauenzimmern, Kindern und denjenigen, welche eine zarte Fleischfarbe haben, einen weißen Grund, mit gar etwas weniges von Berlinerblau, so man aber kaum siehet.  Zu den Männern thut man anstatt dieses Blauen ein wenig Zinnober, und so sie alt sind ein wenig Ogger.

„Ferner geht man alle Striche mit Zinnober, Carmin und Weiß untereinander durch, und untermalt damit alle Schatten, thut auch soviel mehr Weiß unter diese Vermischung, je schwächer die Schatten, und so viel weniger, je stärker solche sind, auch gar kein Weiß, besonders an gewissen Orten, wo man einen deutlichen Umriß machen muß, als z. E. im Augwinkel, unter der Nase, an Ohren, Kinn, zu Unterscheidung der Finger, bei allen Gelenken, unten an den Nägeln, und überhaupt allenthalben, da man im Schatten einen Unterschied anzeigen will.  Man darf nicht fürchten, dass hierdurch solche Unterscheidung stark und gross genug sey, wie sie endlich bleiben muss; denn wenn man mit Grün darüber arbeitet, so wird das Rothe immerfort geschwächt.

„Wenn es nun mit Roth untermalet ist, macht man blaue gelinde Strichlein mit Ultramarin und viel Weiss über die zurückweichenden Theile, z. E. über die Schläfe, unter- and oberhalb der Augenwinkel, zu beiden Seiten des Mundes oben und unten, ein wenig auf der Mitten der Stirne, zwischen der Nase und den Augen, neben den Wangen, am Hals und an andern Orten, wo die Haut, ich weis nicht zu sagen, wie etwas blau aussieht.

„Man macht auch eben solche Striche mit Ogger, und ein wenig Zinnober und Weiss darunter gemischt, und zwar über den Augbraunen, zu beiden Seiten der Nase, unter- und oberhalb den Wangen, und andern Theil, welche herauswärts gehen.

„Wenn