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A. Einstein.     Überreicht vom Verfasser.

[[pencil]] [[ebert?]] Professor an d. Universität Berlin. [[/pencil]]

Physikalische Zeitschrfit. 17. Jahrgang. 1916. Seite 101 - 104.

Ernst Mach.
Von A. Einstein.

In diesen Tagen schied von uns Ernst Mach, der auf die erkenntnistheoretische Orientierung der Naturforscher unserer Zeit von größtem Einfluß war, ein Mann von seltener Selbständigkeit des Urteils. Bei ihm war die unmittelbare Freude am Sehen und Begreifen, Spinozas amor dei intellectualis, so stark vorherrschend, daß er bis ins hohe Alter hinein mit den neugierigen Augen des Kindes in die Welt guckte, um sich wunschlos am Verstehen der Zusammenhänge zu erfreuen. 
Wie kommt aber ein ordentlich begabter Naturforscher überhaupt dazu, sich um Erkenntnistheorie zu kümmern? Gibt es nicht in seinem Fache wertvollere Arbeit? So höre ich manche meiner Fachgenossen hierauf sagen, oder spüre bei noch viel mehr, daß sie so fühlen. Diese Gesinnung kann ich nicht teilen. Wenn ich an die tüchtigsten Studenten denke, die mir beim Lehren begegnet sind, d. h. an solche, die sich durch Selbständigkeit des Urteils, nicht durch bloße Behendigkeit auszeichneten, so konstatiere ich bei ihnen, daß sie sich lebhaft um Erkenntnistheorie kümmerten. Gerne begannen sie Diskussionen über die Ziele

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Ernst Mach [[/middle of page]]

und Methoden der Wissenschaften und zeigten durch Hartnäckigkeit im Verfechten ihrer Ansichten unzweideutig, daß ihnen der Gegenstand wichtig erschien. Dies ist fürwahr nicht zu verwundern. 
Wenn ich mich nicht aus äußeren Gründen, wie Gelderwerb, Ehrgeiz und auch nicht oder wenigstens nicht ausschließlich des sportlichen Vergnügens, der Lust am Gehirn-Turnen wegen einer Wissenschaft zuwende, so muß mich als Jünger dieser Wissenschaft die Frage brennend interessieren: Was für ein Ziel will und kann die Wissenschaft erreichen, der ich mich hingebe? Inwiefern sind deren allgemeine Ergebnisse "wahr"? Was ist wesentlich, was beruht nur auf Zufälligkeiten der Entwicklung?
Um nun Machs Verdienst zu würdigen, darf man nicht die Frage aufwerfen: Was hat Mach in diesen allgemeinen Fragen erdacht, was kein Mensch vor ihm ersann? Die Wahrheit in diesen Dingen muß immer und immer wieder von kräftigen Naturen neu gemeißelt werden, immer entsprechend den Bedürfnissen der Zeit, für die der Bildner arbeitet; wird sie nicht immer neu erzeugt, so geht sie uns über -