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Die Relativitätstheorie, die ohne Machs Kritik der Raum-, Zeit- und Bewegungsvorstellungen nicht denkbar ist, hat in einem unerhörten Siegeszug in weningen Jahren die Physiker gewonnen, trotzdem, daß ihre begrifflichen Schwierigkeiten jene aller früheren Theorien übertreffen. Und die neueste Fortsetzung dieser Lehre, die sich auch das letzte große Problem, die Gravitation, unterwirft, hat begründete Aussicht, nicht nur den bekannten Tatsachen zu genügen, sondern auch durch neue, jetzt noch hypothetische betätigt zu werden 1).
Eine ähnliche Aufgabe wie die Mechanik in ihrer Entwicklung erfüllen auf einem anderen Gebiete Machs "Prinzipien der Wärmelehre" (1896). Historische Übersichten über die Entwicklung einzelner Teile dieses Zweiges der Physik (Thermometrie, Wärmeleitung, Wärmestrahlung, Thermodynamik) wechseln ab mit einer Kritik der diesen Kapiteln zu Grunde liegenden Begriffe (Kritik des Temperaturbegriffes, Kritik der kalorimetrischen Begriffe, kritischer Rückblick auf die Entwicklung der Thermodynamik und die Quellen des Energieprinzipes.) Auch in diesem Werke finden wir wieder dieselbe gründliche und liebevolle Behandlung in der Darstellung der Entwicklung der Wissenschaft, dieselben erhebenden Einblicke in die Werkstätten der bahnbrechenden Forscher. Den Schluß dieses Buches bilden allgemeine erkenntnistheoretische Kapitel, welche jeden Jünger der Wissenschaft, dessen Geist das Bedürfnis hat, sich in Feierstunden über die Mühen des Tages in höhere Sphären zu erheben und über die Ziele und Wege seiner Wissenschaft klar zu werden, auf das lebhafteste interessieren werden.
Zwei Jahre nach der "Mechanik" erschien 1885 Machs: "Analyse der Empfindungen und das Verhältnis vom Physischen zum Psychischen". Es ist sein philosophisches Hauptwerk.
Mach hat vor allem das Bestreben, einen Standpunkt zu finden, der sich als Grundlage für alle naturwissenschaftlichen Disziplinen eignet, namentlich aber für die von ihm bebauten, nämlich für Physik, Physiologie und Psychologie. Das gesamte psychische Leben, auch die Wissenschaft, ist ihm eine biologische Erscheinung, die mit Kampf ums Dasein, Auslese und Entwicklung auf die Lehren Darwins fundiert ist.
Mach beginnt mit dem natürlichen Weltbild, das jeder ohne sein Zutun beim geistigen Erwachen in sich selber vorfindet. Worin besteht nun diese Weltansicht? frägt Mach²) und antwortet: Ich finde mich im Raume umgeben von verschiedenen, in demselben beweglichen Körpern, teils leblosen, teils belebten (Pflanzen, Tieren, Menschen). Mein im Raume ebenfalls beweglicher Leib ist für mich ein ebenso sichtbares, tastbares, sinnliches Objekt, welches einen Teil des sinnlichen Raumfeldes einnimmt, neben und außer den übrigen Körpern sich befindet, wie diese selbst. Mein Leib unterscheidet sich von den Leibern der übrigen Menschen nebst individuellen Merkmalen dadurch, daß sich bei Berührung desselben eigentümliche Empfindungen einstellen, die ich bei der Berührung anderer Leiber nicht empfinde. -- Ich finde ferner Erinnerungen, Hoffnungen, Befürchtungen, Triebe, Wünsche, Willen usw. vor. -- An diesen Willen knüpfen sich aber die Bewegungen eines bestimmten Leibes, der sich dadurch and durch das Vorausgehende als mein Leib kennzeichnet. Bei Beobachtung der übrigen Menschenleiber zwingt mich nebst dem praktischen Bedürfnisse eine starke Analogie, der ich nicht widerstreben kann,
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1) Vergleiche: Ernst Mach. Von Prof. J. Petzoldt. (Der Zeitgeist. 1916. Nr. 11.)
²) "Erkenntnis und Irrtum", S. 5 f.